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herzogliche Regierung des Mittelrheinkreises das Gesuch des Chirurgen Kraft ab,
da man die Errichtung einer Badeanstalt in Verbindung mit einer Restauration
mit dem Amt eines Staatsdieners unvereinbar hält und das Badewasser ohnehin
eine mineralische Eigenschaft nicht besitzt.
Noch vor dem Eingang dieser Entscheidung beim Bezirksamt in Haslach war
aber der Amtschirurg Kraft im Alter von 53 Jahren gestorben als Vater von neun,
größtenteils noch „unerzogenen" Kindern15). Für die Witwe Kraft legt ihr Schwager
, Oberlehrer Blum, Berufung gegen die Entscheidung der Regierung ein. Die
Regierung verwirft aber den Rekurs unter Verfällung der Rekurrentin in die
Kosten. Die Witwe Kraft versucht hierauf durch Vermittlung des Bezirksamtes
die 6 Wirte zu bewegen, daß sie ihr die Errichtung einer Badeanstalt überlassen
und abtreten, da in ihrer traurigen und kummervollen Lage ihre Existenz von
der Erreichung ihres Zieles abhinge. Ihr Ansinnen wird aber von den Wirten
zurückgewiesen.
Im März 1837 tritt die Witwe Kraft mit einem neuen Gesuch um Genehmigung
zur Eröffnung des Bades an das Bezirksamt heran, weil durch veränderte Um-
,,Was das Publikum betrifft, blieb eine Lokal-Badeanstalt schon lange ein desiderium medicum.
Die allgemein sehr vernachlässigte Reinlichkeit in unserer Gegend, besonders in Nebenorten und
Thälern nebst andern die Hautausdünstung störenden und unterdrückenden Ursachen erzeugen häufig
chronische Leiden, die im Beginnen meist leicht zu beseitigen wären. Diesen Übeln suchen zwar die
Anwohnende am Kinzigfluß durch Baden darin zuvorzukommen; allein ältere und schwächliche Leute,
wie Kinder können nur selten davon Gebrauch machen, die entfernt rückwärts in Thälern Wohnende
gar nicht. Endlich wird das Baden in nassen Jahrgängen und bei höherem Wasserstand unthunlich. In
trockenen Jahren stöhrt und hindert das häufige Flößen von Scheiter- und Stammholz, weil der Mangel
des Wassers durch sogenanntes Weier-Wasser ersetzt werden muß, welches den Fluß jedesmal auf
einige Tage trübet. Die kleineren Thalbäche, welche von höhern Gebürgen herunterkommen, sind zu
kalt, um ohnerwärmt zum Baden benutzt werden zu können.
Ein anderes Mittel waren Schwitz- und Schröpfkuren; diese sollten das Baden ersetzen; und wird
ungemein viel mißbraucht. Der Polyzei ist es noch nie gelungen, die Winkel-, Schwitz- und Schröpfstuben
zu vertilgen, was ganz natürlich und erklärbar ist; nämlich weil dem Pöbel kein erwünschtes
Ersatzmittel dafür gegeben werden konnte. Die Wundärzte, oft dazu aufgefordert, wollten sich dem
Geschäft nicht unterziehen, weil sie ihre Rechnung nicht dabei finden, indem die Leute wenig, nur
einige Kreuzer dafür zahlen, und es immerhin unter Physikats-Aufsicht, also mit nöthiger Beschränktheit
geschehen müßte, statt die Quacksalber schröpfen was kommt des Nutzens oder Schadens ungeachtet
und sie nur auf die Vielheit sehen, id est schröpfen wer kommt.
Dieses alles würde sich bei einer gehörig geordneten Badeanstalt umgekehrt verhalten. Die Leute
könnten nach ihren Bedürfnissen und zu jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung mit gehöriger Bequemlichkeit
und billigsten Preisen baden und schröpfen — und zwar alles unter geeigneter Aufsicht."
1S) Nach dem Auszug aus den Kirchenbüchern starb der Wundarzt Fidel Kraft am 17. April 1836 an
Lungenentzündung. Geboren war er am 18. Oktober 1783 in Schenkenzell als Sohn des F.F. Revierjägers
Fidel Kraft und der Maria Magdalena Hug aus Haslach in zweiter Ehe; in erster Ehe war der Vater
verheiratet mit Anna Maria Troll aus Donaueschingen. Die erste Frau gebar ihm sechs Kinder, wovon
jedoch drei im frühesten Kindesalter starben. Die Kinder aus erster Ehe sind alle in Haslach geboren,
während die zwölf Kinder aus der zweiten Ehe, von denen der Wundarzt Fidel Kraft der Erstgeborene
war, alle in Schenkenzell zur Welt kamen.
Der Vater des Revierjägers Fidel Kraft, Ludwig Krafft, war ebenfalls F. F. Jäger und lebte in Haslach
und war mit einer Maria Theresia von Lenz verheiratet. Der Wundarzt Fidel Kraft verheiratete sich
am 11. Februar 1812 mit Luitgard Blum, der Tochter des Lehrers Nikolaus Blum und der Luitgard
Eisenmann. (Uber den aus Oberschwarzach stammenden Johann Nikolaus Blum, geb. 26. Juni 1750,
gest. 18. Februar 1824, und seine Nachkommen berichtet Hansjakob im Kapitel „Der Vetter Kaspar"
seines Buches „Bauernblut", Seite 422.) Dem Wundarzt Fidel Kraft wurden in seiner 24jährigen Ehe von
seiner Frau 13 Kinder geschenkt, das letzte, Sofia, erst am 8. Juli 1835, also nur dreiviertel Jahr vor
dem Tode des Vaters. Vier von den 13 Kindern waren schon früh verstorben.
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