http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1958/0157
Für durchpassierende Arme und Bettler solle bei einem redlichen Mann mitten
im Dorf eine Armenherberge eingerichtet werden, wo der Beherbergte für geringes
Schlafgeld, das der Gemeindekasse zu bestreiten ist, Unterkunft finden kann".
In den Goldscheuerer Gemeinderechnungen lesen wir häufig, daß die Gerichtsleute
an einer Landstreife ein bis zwei Tage teilgenommen haben.
Im 18. Jahrhundert machte sich bei den Bürgersleuten ein Wohlleben und übermäßiger
Luxus geltend. Auch dagegen schritt die Obrigkeit ein. Eine markgräfliche
Verordnung richtete sich gegen die Taufmahlzeiten der Handwerker und Bauern.
Bei den Kindtaufen der Bürgers- und Hofleute sollen mit Einschluß der Gevatterschaft
und Hebamme nur fünf Personen anwesend sein. Diesen darf nur ein Stück
Käse mit Brot und ein Glas Wein vorgestellt werden, den „Vornehmen und
Charakterisierten" außerdem noch eine Platte Konfekt. Bei Überschreitungen
zahlt der Hausvater für jede weitere Person 3 fl. Strafe und ebensoviel für eine
weitere aufgetragene Platte. Wer eine Taufsuppe geben wollte, konnte die Erlaubnis
dazu erhalten nach Erlegung von 15 fl. für die Armenkasse. Da auch das
Geben von Gevatterschaftsgeschenken „manchem Hausvater zu großen Beschwerden
sind und den wahren Endzweck nicht beziehlen, so wollen solche andurch
ernstlich untersagt und gegen die Übertreter eine Straf von 15 fl. zur Armenbüchse
festgelegt werden". Daß auch in der Gemeinde Goldscheuer schwelgerische
Taufmahlzeiten abgehalten worden sind, ist nicht ausgeschlossen.
Am 7. Mai 1770 waren die Bewohner unserer Gemeinde Zeuge eines seltenen
geschichtlichen Ereignisses. Marie Antoinette, die schöne Tochter der österreichischen
Kaiserin Maria Theresia, zog auf ihrer Brautreise von Wien nach
Paris mit glänzendem Gefolge auf der neuerbauten Straße durch Goldscheuer und
Marlen. Zum letzten Male hatte sie auf deutschem Boden im Kloster Schuttern
übernachtet. Der Prinzessin zu Ehren gab der Abt ein glänzendes Fest. Wie
mögen die Einwohner gestaunt haben, als sich der merkwürdige Zug mit 57 Wagen,
450 Zug- und Reitpferden, 257 Personen durch unsere Dörfer bewegte! Viele
waren nach Kehl geeilt, um der Überfahrt zuzusehen.
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