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Neuweier scheint für den Rebbau von Natur aus wie geschaffen.
Wer wird nun den ersten Weinstock gepflanzt haben? Es waren wohl
die Römer. 200 Jahre haben sie die agri decumates, das Zehntland,
beherrscht und gegen die Germanen abgeschirmt durch einen Grenzwall
, den limes. Aus diesem Gebiet machten sie eine blühende Kulturlandschaft
. Sie legten Straßen an, gründeten Städte, bauten Gutshöfe
für ausgediente Soldaten und gallische Siedler. Im Oostal entstand
die civitas Aqua Aurelia, die hohen Offiziere suchten die warmen
Bäder auf, um ihr Rheuma zu heilen. Sogar Kaiser kamen dorthin
. Caracalla baute prächtige Badehallen aus Marmor. Man sagt,
daß auf der Yburg ein Wachtturm stand, belegt mit römischen Soldaten
. Die Römer verpflanzten aus dem sonnigen Süden Obstbäume,
Reben, Kastanien nach dem rauheren Norden und suchten die durch
die Lage für ihren Anbau geeigneten Plätze aus. Hatten sie die gute
Sicht von der Yburg für ihre militärischen Zwecke entdeckt, dann
werden sie auch leicht den Weg ins Neuweierer Tal gefunden und
die günstigen Vorbedingungen für Rebbau erkannt haben. Gewisse,
von den Römern übernommene und da und dort noch übliche Winzergebräuche
sind auch in Neuweier von alters her heimisch. Es dünkt
mir gut, sie hier für meine Heimat festzuhalten, damit sie nicht der
Vergessenheit verfallen, denn die neueste Zeit kennt andere Arbeitsmethoden
und Fachausdrücke. Bei uns kannte man das von den Römern
angewendete Vergruben der Reben, d. h. im Spätjahr wurden
Rebgerten an ihren Enden umgebogen und in der Erde eingeschlagen
, um Setzlinge zu bekommen. Die Rebpfähle wurden im Herbst
zu Steckhaufen, ungefähr 1 m hoch, zusammengesetzt, nach der Anzahl
der Steckhaufen benannte man die Größe des Grundstückes. Die
Pfähle waren aus Kastanienholz. Das Feldmaß war das Joch, das sich
vom lateinischen jugum ableitet und soviel Feld bedeutet, als man
mit einem Ochsenpaar im Tag umpflügen kann, also etwa 50 a. Auf
die Römer geht der sogenannte Kammertbau zurück, d. h. man liebte
es, die Reben an den Hausmauern auf Lattengestellen hochzuziehen.
Das in Neuweier gebräuchliche Wort Trotte = Kelter kommt vom
lateinischen tormentum = Presse her. Das Zeitwort heißt trotten. Die
früher in Neuweier gebrauchte Kelter arbeitete nach dem System
der römischen Baumkelter. Das Anbinden der Rebstöcke mit Weiden
nannte man sälen von salix = Weide. Das Wort Traben = Trester
geht aufs lateinische turba = Masse zurück. Diese Worte und Arbeitsgebräuche
sind Fingerzeige, die mich zu der Annahme führten,
daß der Weinbau in unserem Tal auf die Römer zurückgehe. Es wur-
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