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Hans Ludwig Surger von Mutzig und dessen Ehefrau Anna Dorothea von And-
law zu einem Leibgeding mit der Bedingung, von der 1588 auf das Amt Lichtenau
angewiesenen Leibrente der 176 fl. die Hälfte fallenzulassen. Surger bewohnte
den Hof und besaß die Erlaubnis, Feldhühner, Hasen und Füchse in eigener Person
zu schießen, jedoch des Garnstellens sollte er sich enthalten. 1602 wurde der
Hof an Florentz Scheidt, Stättmeister zu Hagenau, verpfändet; ein Anschlag bewertete
ihn 1606 mit 4000 fl. Den 27. März 1607 überließ Graf Joh. Reinhard I.
das Hofgut als Erblehen dem Junker Georg von Helldorf zum Unterpfand für
2500 fl. und einen Zinsbrief auf 1000 fl. samt den ausständigen Zinsen für sechs
Jahre. 1611 gewährte der Graf Zehntfreiheit, auf Ersuchen Helldorfs 1618 auch
die Jagdgerechtigkeit und das Recht, Reisholz im Reinhardsauer Wäldlein zu
hauen. Mit gräflicher Verwilligung gelangte der Hof am 13. Oktober 1622 in den
Besitz des Straßburger Bürgers und Handelsmannes Wolfgang von Botzheim
um 9840 fl. (Münzverschlechterung!)14). Nachdem Botzheim auf seine Lehenspflicht
Handgelübd und Eid geleistet hatte, wurde ihm das Erblehengut samt Zehntfreiheit
und dem kleinen Weidwerk eingehändigt. Da der Lehenträger die Fischereigerechtigkeit
im Schwarzbach innerhalb der Hofgrenzen — von der Mühlmatt
bis zum Scheidstein oberhalb des Wäldleins — mit Recht beanspruchte, entbrannte
hin und wieder der Streit mit dem benachbarten Ulm. Nach Abt Christophs Beschwerden
1629 hatte sich Wolfgang von Botzheim „mit gewehrter Handt, uff-
gezogenem Hanen uftm Feürrohr undt bloßem Degen" seinen fischenden Untertanen
von Ulm entgegengestellt. Den 11. Mai 1629 beim Ausgang aus der Kirche
verkündete der Ulmer Heimburge im Auftrage des Prälaten öffentlich unter der
Linde, daß alle Bürger von der Hochzau bis zum Schwarzen Wasser (bei Michelbuch
) hinauf fischen dürften. Und falls Botzheim sich je wieder getrauen sollte,
ihnen den Fischfang zu wehren, möchten sie sich seiner bemächtigen und in den
Bach werfen, daß er sich's nimmer gelüsten ließe.
Bei der Verbrennung des Städtleins Lichtenau durch kaiserliches Kriegsvolk
unter Befehl des Generalwachtmeisters Heinrich von Haraucourt am 20. April 1632
wurde auch der Reinhardsauer Hof in Asche gelegt. Botzheim begann den Wiederaufbau
; aber der unglückliche Ausgang der Nördlinger Schlacht machte um
u) Um den zerrütteten Staatsfinanzen aufzuhelfen, beschlofi Graf Joh. Reinhard I. auf Anraten
geschickter Strafiburger Spekulanten 1620 neben Wörth a. d. Sauer die Aufrichtung einer zweiten
Ii anau- lichten bergischen Münzstätte zu Willstütt. Die Prägung mittels
Handpressen war hier einem durch die Wasserkraft der Kinzig getriebenen Walzwerk gewichen; auf
einer solchen Walze waren die Stempel eingraviert, so daß man mehrere Münzen auf einmal prägen
konnte. Es wurden ausschließlich Kopfstücke (Testone), auch Dickpfennige oder Sechsbätzner genannt,
mit dem Brustbild Graf Johann Reinhards geschlagen. Um das Unternehmen gewinnbringend zu betreiben
, hat man nach dem Beispiel anderer Reichsstände die „groben" Geldsorten mit hohem Silbergehalt
eingeschmolzen und daraus geringhaltige Scheidemünzen, sog. „leichtes Geld", geprägt. Ganz
Deutschland war mit diesen fast wertlosen Münzen überschwemmt (Kipper- und Wipperwesen).
Demnach ist auch. Willstätt als eine rechte „Heckenmünze'* anzusehen, die der Rentkammer Buchs-
weiler ganz bedeutende Einnahmen verschaffte, u. a. vom Dezember 1622 bis Mai 1623 allein 71 261 fl.
laut Abrechnung; der den Unternehmern verbleibende Gewinn war aber nicht geringer gewesen.
Durch Edikt vom 29. Oktober 1623 wurden die leichten Münzen außer Kurs gesetzt und wieder
normale Geldverhältnisse geschaffen. Der Reichstaler, auf 6 fl. gestiegen, galt wieder lVi fl. Damit
war das betrügerische Willstätter Unternehmen lahmgelegt und ging ein.
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