http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1960/0115
Die Hausformen der Ortenau
Von Hermann Schilli
Die Ortenau weist eine Fülle recht unterschiedlicher Hausformen auf. In diesem
Artenreichtum spiegeln sich die natürlichen und geschichtlichen Gegebenheiten dieses
Gaues, denn jede Hausform verdankt ihren Ursprung der Landschaft, in der sie
steht. Diese Vielfalt der Formen verlangt zu ihrem Verständnis einige Vorbemerkungen
.
Die Entstehung einer Hausform ist ein vielschichtiger Vorgang, bei dem die verschiedensten
Kräfte und Einflüsse mitgewirkt haben. Ein Haus befindet sich in ständiger
Umgestaltung, die sich in diesen Tagen im Gegensatz zu früheren Epochen in
geradezu beängstigend schnellen und traditionslosen Bahnen vollzieht. Unsere Zeit
wird mit ihrer nur auf das Wirtschaftliche ausgerichteten Denkweise, ihren neuen
Baustoffen, die durch die neuzeitlichen Beförderungsmittel überall zu haben sind,
und ihren maschinellen Arbeitsgeräten, auf die Dauer gesehen, die Vielfalt an Hausformen
verringern und auch die Kulturlandschaft der Ortenau verarmen lassen.
Die Ortenau ist der Oberflächengestalt nach eine dreistöckige Landschaft. Der
erste Stock liegt in der von vielen Wasserläufen durchzogenen, noch im 6. Jahrhundert
kaum bewohnbaren Rheinebene, der zweite erstreckt sich auf die Vorberg-
zone, und der dritte Stock greift weit in den Schwarzwald hinein. Diese geographische
Lage allein verlangt vom Menschen die Gestaltung unterschiedlicher Häuser,
die den wirtschaftlichen Bedürfnissen und den Baustoffen der einzelnen Stockwerke
angepaßt sind. Man denke nur einmal an die Rheinebene mit ihrer ursprünglichen
Dreifelder- und heute so vielseitigen Fruchtwechselwirtschaft, die Scheuern, Tabakschöpfe
und Wirtschaftshöfe verlangt, an die Vorbergzone mit ihrem Rebbau, der
gleichmäßig temperierte Keller zum Ausbauen und Lagern des Weines benötigt.
Neben dem Weinbau ist in der Vorbergzone immer schon eine bescheidene Dreifelder
- bzw. Fruchtwechselwirtschaft einhergegangen, zumal sich die Gemarkungen
der Siedlungen in den Vorbergen zumeist noch in die Rheinebene hinaus erstrecken.
Der mit der älteren Dreifelderwirtschaft gekoppelte Flurzwang ließ wiederum
Haufendörfer entstehen, in die sich die Häuser einordnen müssen.
Diese beiden Zonen haben in der Vergangenheit mit ihren Eichenbeständen und
den reichlichen Lehmvorkommen die Baustoffe für die hier stehenden Fachwerkbauten
geliefert. Natursteine, die sich mit ihren natürlichen Lagerflächen als Werkstoffe
besonders eignen, wie etwa Kalke und Buntsandsteine, sind in der Ortenau
nur in bescheidenen Mengen zu finden, oder die Lager liegen zu weit ab von den
Siedlungen. Natursteine sind daher nur zu Kellern, Fenster- und Türgewänden
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