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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
40. Heft.1960
Seite: 160
(PDF, 128 MB)
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der zeitt inn der pfandtherren aigenschafft oder ander seruitut khommen und be-
trungen werden möchten", schon frühzeitig als „Vereinsstädte" zusammengetan,
um allen Beeinträchtigungen ihrer Rechte gemeinsam zu begegnen. Auch die Rittergeschlechter
der Ortenau, soweit es ihnen überhaupt gelungen war, gegenüber dem
Druck der fortschreitenden Territorienbildung sich ihre Reichsunmittelbarkeit zu
bewahren, kamen schließlich zu der Erkenntnis, daß es einer geschlossenen Organisation
bedürfe, um die Aufsaugung der nicht allzu umfangreichen und außerdem
weit zerstreuten ritterschaftlichen Besitzungen durch die benachbarten geistlichen
und weltlichen Herrschaften zu verhindern. Den Hauptanstoß zum endgültigen
Zusammenschluß der Ritterschaft scheint die Gewaltherrschaft des burgundischen
Landvogtes Peter von Hagenbach am Oberrhein gegeben zu haben, dessen Drohungen
gegen die Herren von Schauenburg das Schlimmste befürchten ließen. Die
Schauenburger suchten sich gegen Gewaltmaßnahmen von dieser Seite durch ein
Bündnis zu sichern, das den Markgrafen von Baden mit den angesehensten Orten-
auer Geschlechtern, den Schauenburg, Röder, Neuenstein, Bach, Bock und Hummel
von Staufenberg, Widergrün, Windeck und anderen, zu einer engen Gemeinschaft
verband (28. Juli 1474), die unter einem jährlich wechselnden Bundeshauptmann
zur Beschickung gemeinsamer Schiedsgerichte und Ausrüstung einer Bundesmannschaft
verpflichtet war. Das war der Anfang der „Reichsritterschaft
Ortenau". Denn als nach Ablauf dieses auf zehn Jahre geschlossenen Vertrages
und nach der Hinrichtung Hagenbachs neue Fährlichkeiten auftauchten und besonders
Kurfürst Philipp von der Pfalz die Reichsfreiheit der Ritterschaft bedrohte,
schlössen die Schauenburg, Röder und Neuenstein — diesmal ohne Baden — einen
neuen Bund, dem bald zahlreiche Rittergeschlechter beitraten und der sich seit dem
Anfang des 16. Jahrhunderts als besonderer Bezirk an den Neckar-Schwarzwald-
Kanton des schwäbischen Ritterkreises angliederte. Auf den Ritterkonventen, die in
wechselnden Zwischenräumen meist in Offenburg, Oberkirch oder Bühl tagten,
wählten die immatrikulierten Geschlechter die Verwaltungsorgane ihrer Korporation
: einen Ritterhauptmann oder Präsidenten (später Direktorialrat genannt),
vier Ritterräte und Ausschüsse, zwei Vizeausschüsse oder Zugeordnete. Die Rechte
der Immatrikulierten waren übrigens abgestuft: Nur die sogenannten Realisten,
die im Besitz eines versteuerten Grundeigentums und eigener Untertanen waren,
hatten das volle aktive und passive Wahlrecht; die Propriisten, die zwar Grundbesitz
, aber keine Untertanen hatten, besaßen wohl Sitz und Stimme auf den Konventen
, wurden aber in der Regel nicht zu den Direktorialstellen gewählt; ganz
vom Stimmrecht ausgeschlossen waren die Personalisten, die überhaupt nicht über
Grundbesitz verfügten. Die Ortenauer haben allezeit mit der unterelsässischen Ritterschaft
in engster Verbindung gestanden, wie denn viele Familien in beiden Kantonen
zugleich immatrikuliert waren, von denen daher ein französisches Witzwort
sagte, sie säßen „ä cheval sur le Rhin". Auch nachdem die Ritterschaft längst eine
historische Reliquie geworden war, der jede Daseinsberechtigung mangelte, blieb
ihre Organisation in der überkommenen Form weiter bestehen und schleppte sich
als Überbleibsel einer lange verklungenen Epoche bis zum Untergang des Heiligen
Reiches fort, mit dem zusammen sie in Trümmer dahinsank.

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