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seinem Amt wieder entlassen wurde. Überhaupt hat das Täufertum in der Ortenau
niemals eine gefahrdrohende Ausbreitung gefunden; aber schon das bloße Vorhandensein
kleiner außerkirchlicher Gruppen bildete doch einen Gegenstand steter
Sorge für die Obrigkeiten der alten und neuen Kirche und verstärkte den Zustand
der religiösen Zerrissenheit, welche die vielfältige Welt der deutschen Territorien
so tief zerspalten hatte. Zu der Vielheit der politischen Grenzen traten die des
kirchlichen Bekenntnisses. Von den Landesherrschaften, die auf dem Boden der
alten Ortenau erwachsen waren, hatte sich nur das bischöflich straßburgische Gebiet
bisher aller Neuerungen ganz erwehrt; andere wie Baden, Lahr-Mahlberg, Geroldseck
und die Stadt Offenburg waren nach anfänglichem Schwanken oder einem gewissen
Hinneigen der Landesherren zum Protestantismus schließlich doch zur alten
Lehre zurückgekehrt, die zu Beginn der vierziger Jahre als herrschend betrachtet
werden konnte. In Hanau-Lichtenberg, wo bisher dynastische und politische Rücksichten
die Ausbreitung der neuen Kirche verhindert hatten, begann man eben
damals die ersten Schritte auf dem Weg der Reformierung zu unternehmen. Nur
da war die Reformation frühzeitig, tatkräftig und restlos durchgeführt worden,
wo der protestantische Eiferer Graf Wilhelm von Fürstenberg seinen Einfluß geltend
machen konnte, im Kinzigtal, und in der Landvogtei mit der Stadt Gengenbach
. Aber gerade hier wurde sie nun in Krisen gestürzt, die ihren völligen Niedergang
herbeiführten.
Der im Jahre 1542 zwischen dem Kaiser und Frankreich wieder ausgebrochene
Krieg verlief für den Grafen Wilhelm, der ihn in kaiserlichen Diensten mitmachte,
höchst unheilvoll. Nachdem er in Gorze bei Metz zusammen mit dem schweizerischen
Reformator Farel nur mit genauer Not einem Überfall durch den Herzog
von Aumale entgangen war, geriet er im Sommer 1544 bei Epernay in französische
Gefangenschaft und konnte erst im nächsten Jahre gegen ein ungeheures Lösegeld
seine Befreiung aus der Pariser Bastille erlangen. Nach seiner Rückkehr fand er
den deutschen Protestantismus in Bedrängnis, da Karl V. nach dem Abschluß des
Friedens mit Frankreich nunmehr freie Hand hatte, gegen die Protestanten tatkräftiger
als früher einzuschreiten. Wilhelm säumte daher nicht, einem neuen Bund
seiner Glaubensgenossen, der zu Frankfurt zustande kam, unverzüglich beizutreten.
Durch seinen Gesandten Johann Matthias Musler ließ er seine Bereitwilligkeit zur
bewaffneten Verteidigung des Glaubens erklären. Sein Gesuch, ihn auch zum Feldobersten
des Bundes zu machen, scheint wegen seiner gespannten Beziehungen zum
hessischen Landgrafen nicht berücksichtigt worden zu sein, doch führte er bei Ausbruch
des Schmalkaldischen Krieges, nachdem er noch kurz vorher eine neue Kirchenvisitation
durch Hedio und den Wolfacher Superintendenten Schalling hatte
ankündigen lassen, dem Heer der Verbündeten im Dienst der Stadt Straßburg
2000 Mann zu. Der unglückliche Ausgang des Feldzuges, an dem er sich nicht weiter
beteiligte, versetzte Wilhelm in eine zweifelhafte Lage. Das Schicksal des Landgrafen
Philipp, der vom Kaiser in verräterischer Weise gefangengenommen worden
war, warnte ihn davor, persönlich eine Aussöhnung mit Karl V. zu betreiben.
Der Ausweg, den er wählte, war wohl für ihn selbst und das fürstliche Haus unter
den gegebenen Umständen der vorteilhafteste, aber er besiegelte zugleich das Schick -
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