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gesucht worden waren; und was man in den zwei Jahrzehnten nach dem Friedensschluß
mühsam aufbaute, sollte bald durch neue Kriegsleiden wieder schwer erschüttert
werden.
Der Westfälische Friede, in dem nach jahrelangem Handeln und Feilschen die
widerstreitenden Interessen der kämpfenden Parteien mit Mühe geeinigt wurden,
war ein diplomatisches Flickwerk, das die Keime neuer Zerwürfnisse in sich barg.
Gerade die Bestimmungen über die Abtretung deutschen Bodens an den Nachbarn
im Westen waren von einer so unverantwortlichen Dunkelheit, daß die französische
Politik beinahe dahin gedrängt wurde, durch entsprechende Auslegung dieser Artikel
auf ihre weiter gesteckten Ziele hinzuarbeiten. Aber es hätte dieses taktischen Vorteils
nicht einmal bedurft, da Ludwig XIV. unter Verzicht auf den schönen Schein,
den der große Kardinal stets zu wahren gewußt hatte, seine brutale Eroberungspolitik
rücksichtslos vor den Augen ganz Europas zu verfolgen den Mut hatte.
Die Stadt Straßburg, die von den elsässischen Abtretungen im Westfälischen
Frieden noch ausgenommen war, der Kehler Rheinpaß und damit die Ortenau
standen im Mittelpunkt dieser Politik. Die Ortenau war, seitdem die Franzosen
durch den Friedensschluß in den Besitz der Festungen Breisach und Philippsburg
gelangt waren, im Norden und Süden von der französischen Macht flankiert und
dadurch bei den kommenden Verwicklungen gleichsam zum Kriegsschauplatz vorherbestimmt
.
Einstweilen war das Absehen Ludwigs XIV. zwar noch auf die Niederlande gerichtet
, aber wie stark sich die westdeutschen Landesherren durch jede kriegerische
Betätigung Frankreichs bedroht fühlten, ersieht man doch aus den Bemühungen des
Markgrafen Ferdinand Maximilian von Baden-Baden, im Jahre 1667 ein gegen
Frankreich gerichtetes Bündnis mit Österreich, Pfalz, Württemberg und anderen
Reichsständen zustande zu bringen. Wenige Jahre später wurden die Oberrheinlande
in der Tat zum Schauplatz des Kriegstheaters, da 1674 Kaiser und Reich an der
Seite der Holländer und ihrer Bundesgenossen in den Krieg gegen Frankreich eintraten
und die Wiedergewinnung des Elsaß als Kriegsziel aufstellten. Die Ortenau
wurde zunächst nur von Truppendurchzügen und Einquartierungen heimgesucht.
Der Herzog von Lothringen, der mit der Offensive gegen das Elsaß betraut war,
vereinigte zwischen Bühl und Oberkirch seine Truppen mit denen des kaiserlichen
Generals Caprara, und der Große Kurfürst, der am 12. Oktober in Oberkirch eingetroffen
war, führte von dort aus am folgenden Tage seine Brandenburger über den
Rhein. Nach Verlauf des ersten Feldzuges, der sich auf dem linken Rheinufer abspielte
, bezogen dann die Verbündeten in unserer Gegend Winterquartiere, die
Kaiserlichen in der südlichen Ortenau und im Breisgau, die Lothringer im Kinzigtal.
Im Jahre 1675 konnten die Franzosen ihre militärischen Operationen auf das
rechte Rheinufer verlegen, nachdem es dem kaiserlichen General Montecuccoli nicht
gelungen war, ihr Heer aus der Gegend von Straßburg undSchlettstadt nach Philippsburg
zu locken. Turenne überschritt in den ersten Junitagen den Rhein bei Ottenheim
und nahm bei Willstätt Stellung. Ein Handstreich gegen Offenburg, das Markgraf
Hermann von Baden durch eine Besatzung von 2000 Mann gesichert hatte, mißlang.
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