http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1960/0253
Gasthöfe und Wirtschaften haben, wie natürlich auch die großen Hotels, durchgreifende
Renovierungen und Ausbauten vorgenommen. Dabei haben sich, zwar
nicht immer, aber doch häufig Verständnis für zeitgemäßen gastlichen Stil und oft
erstaunlich weitschauende Unternehmungslust durchgesetzt.
Auch in kleinen Gemeinden widmet man sich im Rathaus planmäßig und mit
anpassungsfähiger Hingabe der Fremdenverkehrspflege. Nicht nur Städte, sondern
auch Städtlein und große Dorfschaften unterhalten eigene Verkehrsämter, die
da und dort von privaten Verkehrsgemeinschaften betreut werden. Fast durchweg
steht man mit den großen Reisebüros in Verbindung, die mehr und mehr ihre
Tätigkeit nach Gesichtspunkten orientieren, wie man sie von der Industrie her
kennt. Die „Reise von der Stange" läßt sich aus dem zeitgenössischen Fremdenverkehr
nicht mehr wegdenken. Gerade für die mittleren und kleineren Kurorte
und Sommerfrischen bedeuten die Reisebüros ungewöhnlich viel. Infolge der Zuführung
von Gästen durch sie kam meist der erste Anfang fremdenverkehrlicher
Tätigkeit in Gang, wie er durch sie am Leben erhalten bleibt. Doch läßt sich feststellen
, daß nicht selten Gäste, die zunächst von einem Reisebüro in eine Sommerfrische
gebracht wurden, schon das zweite Mal „auf eigene Kappe" erscheinen,
weil es ihnen der fragliche Ferienort angetan hat. Das kollektive Reisen fördert
so, wenn wahrscheinlich auch ungewollt, das individuelle Reisen, das gerade im
Badischen früher gang und gäbe gewesen ist.
Anerkennungswert ist der Eifer, den große und kleine Reiseorte der Pflege
ihres Antlitzes zuwenden. Denkmalpflege und Landschaftsschutz vermögen sich
immer mehr durchzusetzen, wenn leider auch immer noch Verstöße gegen die
Forderung (und Pflicht!) der Erhaltung von Unberührtheit und bodenständigem
Charakter alter Ortsbilder gegenüber allzu unbekümmerter Reklame wahrgenommen
werden müssen. Wie segensreich ein besonderes Ortsstatut zugunsten
des Stadtbildes in Siedelungen mit altertümlichem Wesen zu wirken vermag, dessen
wird man in Gengenbach inne, das zu einem Schulfall gepflegten Denkmal-
und Ortsschutzes geworden ist.
Hervorragende Bedeutung kommt in der Ortenau auch dem Ausflugsverkehr zu,
der nicht zuletzt durch die „Badische Weinstraße" von Baden-Baden nach Offenburg
und Gengenbach durch das Rebland, das dem Schwarzwald vorgelagert ist,
angeregt und gefördert wird. Die Sympathien, die zumal das Elsaß, gewissermaßen
traditionell, mit Baden-Baden, dem Renchtal, dem Kinzig- und GutachtaJ, dem
Bereich um Lahr verbinden, haben für unsere Landschaften eine neue Bestätigung
erfahren. Nun, die Ortenau ist ja doch die historische Passage des West-Ost- bzw.
des Ost-West-Verkehrs durch und über den Schwarzwald. Über Renchtal und
Kniebis erreicht man die in den letzten Jahren fast auf ihrer ganzen Strecke ausgebaute
Schwarzwaldhochstraße, deren weitere Erneuerung auch das traurige Kapitel
des Mummelsees endlich zum Guten wenden wird. Die Schwarzwaldbahn,
die freilich im Gegensatz zu der internationalen Standardlinie in der Rheinebene,
die Skandinavien mit dem Mittelmeer verbindet, zurücksteht, wird zumindest in
allernächster Zeit noch nicht elektrifiziert werden. Die neuen Dieselmaschinen, auch
in ihrer eindrucksvollen Formung erfreulich, erlauben beträchtliche Abkürzungen der
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