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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
40. Heft.1960
Seite: 292
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Lebenshaltung des Industriearbeiters und seiner Familie meist ganz auf den Verdienst
in der Fabrik angewiesen ist. Zudem beschäftigte die Zigarrenindustrie sehr
viele Jugendliche und solche Frauen, die nur eine geringe Anzahl von Stunden
täglich arbeiteten. Soweit die in der Zigarrenindustrie beschäftigten Familien
nebenher eine kleine Landwirtschaft betrieben, setzten sie zu gewissen Jahreszeiten
mit der Arbeit ganz aus, um der Feldarbeit nachgehen zu können. Wörishoff er berichtete
z. B., daß in Hopfenanbaugebieten die Fabriken während der Hopfenernte
gänzlich geschlossen blieben. So ist volkswirtschaftlich und sozial gesehen die Verbindung
von Tabakindustrie und kleiner Landwirtschaft zu begrüßen. Die Schwierigkeiten
der siebziger Jahre veranlaßten außerbadische, vor allem in Bremen
ansässige Firmen zu Gründungen von Filialfabriken im badischen Oberland, wo die
Arbeitskräfte billiger waren als im küstennahen Land. Die vorstehend aufgezeigte
Entwicklung hat bewirkt, daß sich vielfach in der Stadt nur der zentrale Verwaltungssitz
der Zigarrenfabrik befindet, wo auch die auf dem Land hergestellten
Zigarren sortiert, verpackt und versandt werden.

Obwohl die Zigarrenfertigung keine großen körperlichen Kräfte verlangt, ist die
Arbeit nicht einfach, denn naturgemäß entwickelt sich beim Bearbeiten des trockenen
Tabaks viel Staub, der — auch wegen des scharfen Geruchs — gründliche
Lüftungsanlagen verlangt. In dieser Hinsicht war es im letzten Jahrhundert noch
schlecht bestellt, vielfach waren die Fabriklokale zu klein oder zu niedrig, auch
waren oftmals in den gleichen Räumen, in denen der Tabak entrippt wurde —
eine Arbeit, bei der viel Staub anfällt —, die Zigarrenmacher beschäftigt. Die
sanitären Einrichtungen ließen zu wünschen übrig, durch die Verwendung niederer
Arbeitstische war die Haltung der daran sitzenden Arbeiter schlecht, die
Lungen wurden nicht genügend durchlüftet, so daß manchmal die Tuberkulose als
„Tabakarbeiterkrankheit" bezeichnet wurde. Vielfach war es üblich, das Tabakblatt
mit der Zunge anzufeuchten und die Enden der gewickelten Zigarren abzubeißen
, was zu Infektionen führte. Neben diesen gesundheitlichen Schäden traten
vielerorts soziale Mißstände hervor. Die Arbeit ist bis heute im wesentlichen Akkordarbeit
. Zuerst müssen die „Wickel" gemacht werden, was von den „Wickelmachern
" besorgt wird, worauf die „Zigarrenmacher" der Zigarre die endgültige
Form geben. Die Arbeit setzt also das Zusammenwirken von zwei Personen voraus
. Wenn der Wickelmacher gleichmäßige Wickel macht, kann der Zigarrenmacher
leichter arbeiten. Die Kunst des Zigarrenmachers besteht nicht nur in der Herstellung
ebenmäßiger Zigarren, sondern auch in der sparsamen Verwendung des
kostbaren Deckblatts. Da die Rohstoffe vorgewogen werden, ergibt sich, daß der
im Akkord erzielte Arbeitslohn der beiden um so größer ist, je besser und ökonomischer
sie zusammenarbeiten. Weithin bestand die Übung, daß der Unternehmer
den Lohn für die fertigen Zigarren an den Zigarrenmacher ausbezahlte, der seinerseits
den Wickelmacher entlohnte. Ein solches finanzielles Abhängigkeitsverhältnis
führte naturgemäß oft zu unerwünschten Auswirkungen und wurde deshalb
von der Gewerbeaufsicht mit Erfolg bekämpft.

Während seitens der staatlichen Aufsichtsbehörden frühzeitig die Bestrebungen
zur Besserung der Verhältnisse einsetzten, haben die Tabakarbeiter von sich aus

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