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sammenwirken von Bürgermeisterämtern, Bezirksämtern und Gewerbeaufsichs-
beamten ist es zu danken, daß die der Gesundheit abträglichen Mißstände beseitigt
wurden und die Unternehmer sich zur Anlage geräumiger und den sanitären Anforderungen
genügenden Fabriklokale entschlossen.
Eine reichseinheitliche Normierung der Vorschriften für die Zigarrenindustrie
brachte die Verordnung des Bundesrats über den Betrieb der Zigarrenfabriken
vom 9. Mai 1888. Diese Verordnung, entstanden unter maßgeblicher Mitwirkung
der badischen Gewerbeaufsichtsbehörden und der Sachverständigen der badischen
Tabakindustrie, wurde ergänzt durch eine Bekanntmachung des Reichskanzlers
vom 17. Februar 1907. Die Verordnung trifft Bestimmungen über die Lage, anderweitige
Benutzungsweise, Höhe und Fensterzahl, Fußbödenbeschaffenheit und
Luftraum der Arbeitsräume, ferner über das Lagern von Tabak, Lüftungsanlagen
usw. Ohne auf die Einzelheiten der reichseinheitlichen Vorschriften einzugehen,
darf doch darauf hingewiesen werden, daß die Verordnung von 1888 für das gesamte
Deutsche Reich das in Baden bereits abgeschaffte Abhängigkeitsverhältnis
der Wickelmacher verbot. (§ 11, 1) „Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter müssen
in unmittelbarem Verhältnis zu dem Betriebsunternehmer stehen. Das Annehmen
oder Entlohnen derselben durch andere Arbeiter oder für deren Rechnung ist nicht
gestattet." Und wie selbstverständlich klingt heute § 8: „Die Fußböden und Arbeitstische
müssen täglich mindestens einmal durch Abwaschen oder feuchtes Abreiben
vom Staube gereinigt werden." Und doch mußten solche Selbstverständlichkeiten
oftmals unter Zwang eingeführt und durchgesetzt werden. Auf Vorschlag des
Bezirksamts Lahr ist seit 1893 das Bearbeiten der Wickel und das Anspitzen der
Zigarren mit dem Mund bei Strafe verboten.
Über die durch die Zigarrenarbeit hervorgerufenen gesundheitlichen Schädigungen
besteht trotz vieler Untersuchungen keine Einstimmigkeit in der Fachliteratur.
Obwohl festgestellt ist, daß die Tabakarbeit als solche keine Vermehrung der
Tuberkulose bedingt, so steht anderseits außer Zweifel, daß das Aufkommen der
Tabakindustrie auf den Dörfern indirekt die Ausbreitung der Tuberkulose förderte
, da die Bevölkerungszahl stieg, die Wohnungsbautätigkeit jedoch nicht Schritt
mit der Bevölkerungsvermehrung hielt, so daß hauptsächlich in den allgemeinen
sozialen Verhältnissen die Gründe für die Ausbreitung der Tuberkulose in einigen
Bezirken der Tabakindustrie gesehen werden mußten. Die Maßnahmen der Gesundheitsbehörden
galten daher seit Ende des ersten Weltkriegs der Beseitigung
der Wohnungsnot, der Schaffung von Wasserversorgungsanlagen, öffentlichen
Bädern, Sportplätzen usw., Maßnahmen, die im übrigen nicht nur der Tabakarbeiterschaft
zugute kamen, sondern sich förderlich für die gesamte öffentliche Gesundheitspflege
auswirkten.
Die Papierherstellung
Die Papierherstellung umfaßt solche Betriebe, die sich mit der Herstellung des
Halbstoffes (Holzstoff, Zellstoff), des eigentlichen Fertigfabrikates (Papier, Pappe)
und mit der Veredlung und Verarbeitung von Papier oder Pappe befassen. Über
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