http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1960/0298
5 300 Beschäftigte zählt heute die badische Papierindustrie, 20 % des in der Bundesrepublik
erzeugten Zeitungspapiers kommt aus Baden, in den anderen Produktionssparten
ist der badische Anteil etwas geringer. Alle Zweige der Papierindustrie
finden sich in der Ortenau, deren Fabriken in der ganzen Welt Ruf und Geltung
haben.
Papier entsteht durch das Verfilzen von mechanisch oder chemisch aufgeschlossenen
Fasern, die in einer wässerigen Lösung auf Siebe aufgebracht und sodann
entwässert werden. Das Wasser ist für die Papierfabrikation sehr wichtig: Zum
einen diente seit jeher die Wasserkraft zum Antrieb der Maschinen, zum andern
wird Wasser in großen Mengen als Zusatz zum Papierbrei benötigt. Das Wasser in
den zum Rhein auslaufenden Schwarzwaldtälern eignet sich durch seine chemischen
Eigenschaften hervorragend für das Papiermachen, es weist genügend Gefälle auf,
so daß es nicht verwundert, wenn sich frühzeitig Papiermühlen in den Schwarzwaldtälern
ansiedelten. Eine der ältesten Papiermühlen Badens befand sich in
Ettlingen, wo bereits 1482 eine markgräfliche Papiermühle erwähnt wird. Der
Einfluß des nahen Straßburg machte sich bemerkbar in der Gründung von Papiermühlen
durch Straßburger Handelsherren. So gründeten oder besaßen Angehörige
der Straßburger Handelsfamilie Dürkheim vor dem Dreißigjährigen Krieg vier
Papiermühlen auf dem rechten Rheinufer: Gengenbach (1488), Oberachern (um
1614), Lautenbach im Renchtal (1615) und Waldkirch (1631). Die erste Papiermühle
in Oberachern gründete 1590 der Straßburger Ratsherr und Buchdrucker
Wendelin Riehel, wenige Jahre darauf gründete er noch eine zweite Mühle. Sein
Schwager Johann Kaspar Khener errichtete 1614 eine weitere Mühle, so daß allein
Oberachern vier Papierherstellungsbetriebe aufwies. Weitere Papiermühlen sind
erwähnt in Achern, Schiltach, Kappelrodeck und Lauf, ohne daß diese Aufzählung
ganz vollständig wäre. Aus den Papiermühlen entwickelten sich später die Papierfabriken
. Es sei hier etwa auf die Papierfabrik August Köhler in Oberkirch verwiesen
, die auf eine schon anfangs des 17. Jahrhunderts bestehende Papiermühle
zurückgeht.
Seit Papier gemacht wird, gab es Streit und Kampf um die Rohstoffe: die Lumpen
. Es konnten nur weiße Leinenlumpen verarbeitet werden, denn das gefärbte
Leinen ergab höchstens Konzeptpapier oder Pappe. Rechnet man, daß pro Kopf
der Bevölkerung im Jahr etwa 2 Vi Pfund Lumpen anfielen, die Verwendung finden
konnten, so wird verständlich, daß die Regierungen bedacht waren, den inländischen
Fabriken die im Inland gesammelten Lumpen vollständig zuzuführen.
Die Ausfuhr von Lumpen war in jedem Territorium verboten, herrschaftliche, mit
einem Ausweis versehene Lumpensammler bereisten das Land. Das Sammeln der
Lumpen gehört wie das Abkratzen des Salpeters oder das Aschesammeln zum Bild
der Wirtschaft im 18. Jahrhundert. Schon den Zeitgenossen war der „Lumpenkrieg"
eine Zielscheibe des Spottes. Auswärtige Lumpensammler riskierten hohe Strafen
und die Konfiskation der in dem fremden Territorium gesammelten Lumpen. 1808
sah sich die badische Regierung veranlaßt, die bisher übliche Beschränkung des
Rechts zum Lumpensammeln auf einzelne Gebiete aufzuheben und den inländischen
Fabriken das Sammeln im ganzen Land zu gestatten. Hierfür war für jede Bütte
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