http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1960/0333
Wirkung des aus einer strengen Bautradition hervorgewachsenen Baues nur an vereinzelten
Stellen zu, so ist der Eindruck des Innern trotz der überlauten Neuausmalung
um so stärker. Von den Bodenseedenkmälern abgesehen, ist er die
früheste Schöpfung heimischer Kunst im Lande, in Anlage wie in der Einzelausführung
Ausdruck einer höheren Ideen dienstbaren, Schönheit und Klarheit suchenden
künstlerischen Gesinnung, die im Technischen schon völlig ausgereift sich zeigt.
In S c h w a r z a c h 7) und 8a) wurde die Reform reichlich ein halbes Jahrhundert
nach Gengenbach durchgeführt durch die beiden aus Hirsau gekommenen Äbte
Konrad und Hildebert (1176—1192) und, als um 1220 Kloster und Kirche niederbrannten
, der Aufbau der letzteren nach dem Schema des Schwarzwaldklosters vorgenommen
. Es ist wohl einer der letzten Hirsauer Bauten gewesen. Diese Spätzeit
macht sich überall im Innern wie im Äußern bemerkbar, im Spielen mit gehäuften
Gliederungs- und Ornamentformen und in der Aufnahme verschiedenartiger Einflüsse
. In das Hirsauer Schema mischen sich starke elsässische Elemente und selbst
oberitalienische, wohl über das Elsaß übernommene, und das Nahen der Gotik
kündet sich durch Anwendung des Kreuzrippengewölbes über dem Chorquadrat
und dem Versuch, ähnlich auch das Querschiff einzuwölben, an. Höchst auffallend
ist die Verwendung des Backsteins an einigen Stellen (Westgiebel, Querschiff, Chor-
apsis und am Chorgewölbe) des sonst aus Quadern errichteten Baues in einem noch
an römische Vorbilder erinnernden Format; möglicherweise ist die Technik für
dieses Material samt der Wahl des Formats über das Elsaß und den Oberrhein aus
der Lombardei eingewandert. Dem Grundriß ist genau die Hirsauer Gepflogenheit
zugrunde gelegt; das Äußere ist aber wesentlich reicher als in Gengenbach
gegliedert durch einen unter dem Dachgesims ringsum laufenden Rundbogenfries
und durch eine über den ganzen Hochbau im Fenstergeschoß geführte Blendnischenreihe
. Die Westtürme sind aufgegeben bzw. ersetzt durch einen gedrungenen
Vierungsturm. Der ganze Reichtum und das schöne Ebenmaß der Gliederung offenbart
sich an der Ostpartie mit ihrer imposanten Aufstufung und horizontalen
Abtreppung der fünf Apsiden. Eigenartig ist die Westfassade behandelt, der ebenfalls
eine Vorhalle ursprünglich vorgelagert war. Solange sie stand, war zweifellos
die Disharmonie zwischen der fast überreich gegliederten und namentlich über dem
Portal mit z. T. ganz kapriziösen Formen überhäuften unteren Partie und der fast
nüchternen oberen Hälfte aufgehoben. Im übrigen ist die formale Ausbildung der
unteren Fassadenwand ersichtlich bedingt durch die Anlagerung der Hallenwände.
Im Tympanon des abgetreppten und mit Rundstäben besetzten Eingangsportals ist
eine plastische Figurengruppe des thronenden Herrn mit den Apostelfürsten untergebracht
, auf die weiter unten noch näher einzugehen sein wird. Das Innere ist
durch stark gedrungene Säulen in drei Schiffe zerlegt. Sie stehen auf hohen Basen;
ihre Kapitelle sind wesentlich fortschrittlicher als in Gengenbach, nicht mehr die
wuchtig ausladenden Würfel der Hirsauer Bildung. Sie sind reich umlegt mit ge-
perltem Blatt- und Bandwerk, die Blätter vielfach mit Bändern durchzogen und
so miteinander verbunden. Auch die kräftig ausgebildete Kämpferplatte ist z. T.
7) Vgl. meine Ausführungen im Freib. Diözesan-Archiv NF. V (1904), 361—396, und VI.
6a) Vgl. Lacroix-Niester.a. a. O., S. 231 ff.
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