http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1960/0426
Das gilt heute noch aus einem ganz besonderen Grund. Die Verhältnisse der
Nachkriegszeit haben in einem früher bei aller Freizügigkeit nie möglichen Umfang
Menschen aus anderen Gegenden in unseren heimatlichen Raum eingeschleust.
Und das ging und geht noch bis ins kleinste Dorf. Ganz abgesehen von der politischen
Problematik, die mit dieser neuen Völkerwanderung verknüpft ist: die Vertriebenen
, die in unserem Raum Arbeit und Brot und eine Bleibe gefunden haben,
sollten über das Lebensnotwendige hinaus auch etwas von dem Bleibenden der
neuen Landschaft, ihrer Städte und Dörfer und ihrer angestammten Menschen verspüren
; erst mit einer solchen Verwurzelung, und sei sie auch zunächst nur mehr
an der Oberfläche, kann man das so oft und so oft allzuleicht gesprochene Wort von
einer „neuen Heimat" sprechen. Der Weg zu diesem Ziel ist der Weg einer lebendigen
Heimatpflege.
Nach diesen allgemeinen, aber wie wir glauben, nicht unnötigen Betrachtungen
stellt sich uns nunmehr die Frage: was geschieht in unserem heimatlichen, mittel-
badischen Raum, um diese Aufgaben zu erfüllen? Ich hoffe, es geht dem geneigten
Leser am Ende dieser, übrigens keineswegs erschöpfenden Darstellung so wie dem
Verfasser: es ist, wenn man's recht besieht, weit mehr, als man zunächst vermutet
hat. Selbstverständlich beginnt die Übersicht in diesem Jahrbuch mit dem „Historischen
Verein für Mittelbaden". Darauf hat er schon nach der Zeit seines Wirkens
einen guten Anspruch. Wer die stattliche Reihe seiner Jahrbücher durchblättert, die
vielen und vielerlei Aufsätze überschaut, die hier erschienen sind, und weiß, welch
unendlicher Fleiß und selbstlose Hingabe in ihnen steckt, dem ist klar, daß in
diesem Gemeinschaftswerk der mittelbadischen Heimatforscher — so sehr jeder einzelne
sein Thema für sich im Studierstüble oder im Archiv erarbeitete — ein kultureller
Wert von hohem Rang geschaffen wurde. Keiner wird etwas Gültiges über
die Heimatgeschichte Mittelbadens aussagen können, der nicht auf die Dokumentation
der „Ortenau-Bände" zurückgegriffen hat. Wer ferner die Jahresberichte aus
dem vergangenen halben Jahrhundert des Historischen Vereins durchgesehen hat,
der weiß, daß diese Forscherarbeit auch in manchen Gemeinden Mittelbadens
durch Vorträge Zugang zu den Menschen gefunden hat, die in einem allgemeineren
Sinne den Fragen heimatlicher Geschichte ihre Aufmerksamkeit schenken.
Von diesem Blickwinkel aus richtet sich diese Schau begreiflicherweise auf die
größere Organisation der Heimatpflege, die das ganze alte Baden umspannt: auf
den Verein „Badische Heimat". Er hat in wohl allen größeren Gemeinden Mittelbadens
seine Gruppen; auch seine Mitglieder sind im wesentlichen verbunden durch
ein literarisches Band. Allerdings handelt es sich in den Heften der „Badischen
Heimat" weniger um spezielle Forscherarbeit, das verbietet allein schon der umfangreichere
Verbreitungskreis. Im übrigen ist, im Blick auf das Thema dieser
Untersuchung, ohnehin viel wichtiger, was in den mittelbadischen Gruppen der
„Badischen Heimat" geschieht. Und da darf man wohl sagen, daß sie, richtig und
einflußreich geführt, eine bedeutsame Rolle spielen in der kulturellen Pflege heimatgebundener
Werte, zumal dort, wo gute persönliche Verbindungen bestehen zu den
kommunalen Einrichtungen der Heimatpflege, zu stadtgeschichtlichen Sammlungen,
Stadtarchiven, Heimatmuseen und ähnlichen kulturellen Einrichtungen.
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