http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1961/0056
auch Mitglied der Murgschifferschaft. Dürr sah sofort, daß hier etwas ganz Großes
im Werden war: wer da Zugriff, wer das nötige Kapital hatte und die notwendigen
Erfahrungen dazu, der konnte Profite herausholen, mit Zins und Zinseszinsen wie
sonst nirgends. Er durfte nur nicht kleinlich sein, im Geben und Nehmen. Und
schlau dazu.
Niemand in der ganzen Markgrafschaft war mehr geeignet, ein solches Großunternehmen
durchzuführen als Franz Anton Dürr; nicht einmal Jakob Rindenschwender
, der reiche Murgschiffer und Oberschultheiß von Gaggenau, der sich
ebenfalls aus kleinsten Verhältnissen heraufgearbeitet hatte, in einer Zeit, da seine
Markgrafen reiche Prinzessinnen heiraten mußten und beim Papst um Pfründen
betteln gehen, und als selbst der Durlacher knauserig nachrechnete, ob seine Beamten
nicht zuviel Domänenwein erhielten ...
Es gab also in den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts Verhandlungen zwischen
dem Herrenwieser Herrn und der markgräflichen Bürokratie. Er war nie bescheiden
gewesen, der einstige Ankerwirt von Rastatt! Mittlerweile hatte er noch einiges
dazugelernt — wer viel fordert, weil er auf dem hohen Roß sitzt, hat Aussicht,
soviel zu bekommen, wie er im geheimen erwartet. Also fordert Franz Anton Dürr:
Erbbestand auf die Waldungen rings um die Raumünz, ist aber dann, als ob solcher
dynastischer Anwandlungen man ihn nur ungläubig betrachtet, bereit, sich mit
einem Vertrag auf 50 Jahre zufriedenzugeben.
Aber die ihm gegenübersitzen, die vom markgräflichen Oberforstamt, haben
auch ihre Hintergedanken: sie wissen, die Sache ist ein Experiment, wagen kann's,
wer genug Kapital hat; aber gelingt es, und das mag sich nach 20 Jahren erweisen,
dann heißt es, auf seinen Besitz pochen und die gut angelaufene Sache selber übernehmen
. Wenn der Staat tüchtige Kerle in seinen Amtsstuben sitzen hat, so wissen
die auch, wie die Hasen laufen: und just solche scheinen damals in markgräflichen
Diensten gestanden zu sein. So einfach, wie er es einst mit dem Rastatter Geheimrat
praktizierte, ist es für Dürr nicht mehr.
Kurz, Dürr mußte nachgeben in diesem Punkt, man einigt sich auf 25 Jahre.
Die Verpflichtung aber, eine durchschnittliche jährliche Nutzung von 28 000 Festmetern
Holz zu garantieren, wird er nicht ungern unterschrieben haben: je mehr,
je besser. Es war ja nicht sein Wald, den er ausräubern sollte, und je größer der
Umsatz, um so schöner der Verdienst. Nach den Bestimmungen des Vertrags hatte
Dürr schon in den ersten Jahren „ein sicheres Quantum von 500 000 Missein (Brenn-
holzscheiter) oder 5000 Klafter Scheiterholz rastadter Maß zu liefern, dann 1000
Seegklötz und so fort in den folgenden Jahren desgleichen bis an die Murg". Dort
wurde das Holz von der Herrschaft abgenommen. Sie bezahlte (nach einer Mitteilung
von Fritz Kober, dessen Wirtschaftsgeschichte des Murgtals in den vom Verfasser
herausgegebenen Heimatblättern des Badischen Tagblattes „Zwischen Murg
und Kinzig" in Einzeldarstellungen erschienen ist bzw. noch weiter laufend erscheint
) für die 7000 Klafter jeweils 7700 Gulden, das ergab mit noch einigen
sonstigen Lieferungen in den 25 Jahren Pachtzeit die runde und damals stattliche
Summe von 200 000 Gulden. Und das war für Dürr fast reiner Verdienst gewesen.
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