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Die Ortenauer auf Rheinwache 1622
Aus meiner Hanauer Chronik des Dreißigjährigen Krieges
Von Ludwig L a u p p e
Da feindliche Einfälle oder unberechtigte Durchzüge fremden Kriegsvolkes die
Landschaft am Oberrhein häufig heimsuchten und mitunter zu wahren Landplagen
ausarteten, gründeten die benachbarten Stände oder Herrschaften zu ihrer Verteidigung
unter sich eine sogenannte „Landesrettung" oder „Landsdefension". Denn
mit dem Reiche bestand durch die Kreiseinteilung nur geringe Fühlung. Da seit den
letzten Dezembertagen 1621 Graf Ernst von Mansfeld mit seinen räuberischen
Söldnerscharen sengend und brennend das Unterelsaß durchstreifte und die Plünderung
der Rheinwörte, wohin sich die geängstigten Landleute geflüchtet hatten,
täglich einen Überfall auf die rechtsrheinischen Ufergemeinden befürchten ließ,
lebten auch die Ortenauer in steter Sorge. Sie wußten nur zu gut, daß ihnen dabei
die Haut überm Kopf zusammengezogen würde. Zum Abschluß einer Landesrettung
schrieb daher die kaiserliche Landvogtei samt ihren schirmsverwandten Städten auf
17. Februar für die Nachbarstände einen Tag nach Offenburg aus. Dabei
führte der hanauische Vertreter Amtmann Philipp Böcklin von Böcklinsau in
Willstätt, da Junker Flach von Schwarzenburg durch die Ereignisse am Rhein zu
Lichtenau festgehalten wurde, vor, daß man an allen Orten über den Strom setzen
und landen könne, weshalb zur Bewachung des Rheines viel Mannschaft erfordert
werde und er sich im Namen seines Grafen zur Vergleichung einer Defension
erbietig zeige. Landvogt Hans Reinhard von Schauenburg stellte als Verstärkung
der Hanauer Rheinwache 200 Mann seiner Amtsuntertanen in Aussicht.1). Der
Willstätter Amtmann zeigte sich befriedigt, wünschte aber, das ausgelegte Volk
wegen der beginnenden Feldarbeit von acht zu acht Tagen auszuwechseln. Endgültig
wurde dann im „O ffenburger Abschied" gleichen Datums vereinbart,
die Rheinüberfahrt zu Auenheim mit 20, Leutesheim 20, Hönau 30, Bischofsheim
(soll heißen Diersheim) 20, Freistett 35, Helmlingen 35 und Graueisbaum mit 40
= 200 Mann aus der Ortenau zu verstärken, die schon andern Morgens aufziehen
sollten. Und da man zwischen Kehl und Auenheim wegen Höhe des Stadens schlecht
anlegen könne, hätte man sich dieses Ortes nicht viel zu beladen. Das an Württem-
Quelle: Akten der Landvogtei Ortenau, Faszikel 453 im Badischen General-Landesarchiv
Karlsruhe.
1) Die in den Orten ausgemusterten wehrbaren Mannschaften nannte man den Ausschuß, die Ausgelegten
oder im Gegensatz zu den geworbenen Söldnern auch das Landvolk. Die berittenen Schützen der Landvogtei
waren gekennzeichnet durch einen Kittel aus rotem Tuch und wurden daher „Rotröcklein" benannt. Bewehrt
war der Ausschuß mit Muskete und Degen.
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