http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1962/0022
einmal überwiegend «fränkisch», doch wohl aber ein Beweis, wie stark vom
Fränkischen und zumal vom Elsaß her die Namengebung über den Rhein hinweg
gewirkt hat. Viele dieser Dörfer sind urkundlich früh bezeugt. Viele früh genannte
Namen, die für unser Gebiet lokalisiert werden können, suchen wir jedoch
in unserer heutigen Landschaft vergeblich. Die Wüstungsvorgänge sind in
der Ortenau insgesamt nicht geringer und nicht grundsätzlich anders als im
Breisgau, für den einläßliche Untersuchungen vorliegen4), oder in der Baar5).
Das Besondere der Ortenauer Wüstungserscheinungen mag allenfalls darin bestehen
, daß sie ungewöhnlich lange anhalten und daß hier auch der Rhein mit
seinen Verschiebungen das Seinige zum Untergang von Siedlungen beigetragen
hat"). Im übrigen aber liegen die Dinge hier wie überall: neben Fehde und
Krieg, die wir nicht ausschalten, aber auch nicht überbewerten dürfen, neben
Grundwasserfragen und klimatologisch-physikalischen Veränderungen, neben wirtschaftlich
-sozialen und Rentabilitätsproblemen 7) spielt auch in der Ortenau der
für alle schwäbisch-alemannischen und für viele fränkische Dörfer bezeichnende
Vorgang der Siedlungskonzentration eine im einzelnen allerdings verschiedene,
überall aber wichtige Rolle. Zwischen den einzelnen Dörfern liegen heute breite
Fluren; die Siedlungen haben sich um verhältnismäßig wenige Kerne geschart.
Das Hofsystem beginnt dann in starkem Gegensatz zu den Ebenelagen fast
schlagartig dort, wo wir die Gebirgsgrenze im Osten, am Schwarzwaldrand betreten
. Das Umdenken setzt denn auch hier ein: wir dürfen, wenn wir das Dorf
des Mittelalters kennenlernen wollen, nicht vom heutigen Siedlungsbild ausgehen.
Urkunden, Urbare und späte Akten weisen uns, auch im Zuge der Flurnamenforschung
, auf ein ehedem weit stärker aufgelockertes Siedlungsschema
hin, das — ich kann hier an die Feststellungen anknüpfen, die mein
1957 erschienenes Buch getroffen hat8) — besser daran tun läßt, für das Frühmittelalter
ein dichtes Netz von Kleinsiedlungen in Form des Weilers, der
Gehöftgruppe, anzunehmen9). Es gab mit anderen Worten eine Zeit, die den
Hof nicht den Tälern und Höhen des Schwarzwaldes zuwies, die vielmehr in der
Ebene anstelle des uns vertrauten Dorfbildes ein lockeres Gefüge von kleineren
Siedlungen kannte.
Aber damit ist es, zumal für die Ortenau, doch nicht getan. Neben den altbezeugten
Orten haben wir, zum Teil erkennbar schon aus den Namen — es häufen
dings M. Walter und Fr. Langenbeck, Die Besiedlung der Ortenau in geschichtlicher Zeit,
„Ortenau" 40 (1960) S. 78 ff.
4) A. Poinsignon, Oedungen u. Wüstungen im Breisgau, ZGO 41 (NF. 2, 1887) S. 322 ff., 449 ff.
Dazu Ergänzungen von B. Schelbu. E. Nothelfer in „Schauinsland" 68 fT. (1949 ff.).
5) F. L. B a u m a n n , Abgegangene und umbenannte Orte d. badisdien Baar u. d. Herrschaft Heven,
Schriften d. Vereins f. Gesch. usw. d. Baar 3 (1880) S. 51 ff. Weitere oberrheinisch-schwäb. Wüstungslit. bei
Bader, Das mittelalterl. Dorf als Friedens- u. Rechtsbereich (1957) S. 27 ff.
6) Über siedlungsfeindliche Wirkungen des älteren Rheinlaufs vgl. die (ungedruckte) Dissertation meines
Mainzer Schülers H. Froriep, Rechtsprobleme d. Oberrheinkorrektion im Großh. Baden (1953).
7) Zu alldem das heute maßgebliche Buch von W. A b e k,-Die* Wüstungen d. ausgehenden. Mittelalters
(1943; 2. Aufl. 1955).
8) Das mittelalterliche Dorf (s. Anm. 5) S. 28 ff.
9) Diese Siedlung in Weilerform hat, um Mißverständnissen vorzubeugen, nichts zu tun mit dem sog.
fif/are-wei/er-Problem. Dazu Walter-Langenbeck, Besiedlung d. Ortenau (Anm. 3) S. 91 f.
10
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1962/0022