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zog aber auch das Gewerbe ein. Unter den die Rodung fördernden gewerblichen
Anlagen sind die Glashütten und Bergwerke, nachmals auch die Papiermacherei
und schließlich die Flößerei zu nennen, die den Rohstoff nun schon zu industrieller
Verwertung außerhalb Landes verbringt. Daß dabei Waldmarken und
Kirchspiele einander vielfach, wenn auch durchaus nicht immer, entsprechen,
braucht nicht zu verwundern; denn wo anders wären organisatorische Anknüpfungspunkte
, zumal für klösterliche Grundherrschaften, zu finden gewesen als eben in
der Kirchspielverfassung?
Gegenüber der älteren Lehre von der „freien" Markgenossenschaft ist schließlich
vor allem ein Moment zu betonen, das auch in der vorhin genannten Arbeit
über den Vierdörferwald2<i) angetönt und in der wirtschaftswissenschaftlichen
Literatur längst erkannt ist. Die Markgenossenschaften, wie sie sich in der
Orter.au und in zahlreichen anderen Landschaften mit überwiegendem Dorfsiedlungscharakter
finden, sind nicht Zusammenschlüsse freier Bauern, sondern
Verbände von bereits bestehenden dörflichen Gemeinden. Mit anderen Worten:
die Dorfgemeinde, selbst erst ein Produkt der hochmittelalterlichen Entwicklung
28), ist älter als der Zusammenschluß zum größeren Nutzungsverband. Das
Dorf ist, um für einmal die Fachsprache des Rechtshistorikers zu verlassen, nicht
durch nachträgliche Ausscheidung aus der Waldmark heraus entstanden; die
Waldmarkgenossenschaft, der es ja in erster Linie um Weidrechte von Gemeinden
geht, ist vielmehr aus dem Drängen der Dörfer nach erweitertem Nutzraum zu
erklären. Wir tun also besser daran, um Zweifel zu beheben, von Waldnutzungsgemeinschaften
zu sprechen, die eine Übergangsform von der ursprünglich
ungeregelten Nutzung zur fest an eine Dorfgemeinde gebundenen Gemarkung
darstellen. Dabei ist gerade für die Ortenau aufschlußreich und bemerkenswert,
daß diese Übergangsform des Gemeindenutzungsverbandes in Resten noch bis
in die Gegenwart fortdauert. Auch in unserer Landschaft ist allerdings die Mehrzahl
der Waldnutzungsgemeinschaften früher oder später, vor allem in der Zeit
des aufgeklärten Rationalismus, der den «Gemeinheiten» bekanntlich abhold
war, aufgelöst worden29). Wenn da und dort Gemarkungssplitter einer mittel-
badischen Gemeinde in den Schwarzwald hinaufreichen, auch ohne daß ein
räumlicher Zusammenhang mit der Hauptgemarkung besteht, dann haben wir es
hier mit Resten jener Nutzverbände zu tun.
Damit müssen wir uns, was die ländliche Verfassung angeht, für heute begnügen
. Unsere alten Dörfer sind, wie wir sahen, in einem verwickelten und teilweise
gegensätzlichen Prozeß von Konzentration und Spaltung entstanden. Neben
sie treten jüngere Formen einer sekundären Hofsiedlung im Spätausbaugebiet.
2«) Wellmcr a. a. O. (Anm. 22), insb. S. 97 ff.
27) Vor allem F. Lütge. Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mittelalterlichen Raum vornehmlich
in der Karolingerzeit (1937) S. 280 ff.
28) K. S. Bader, Entstehung und Bedeutung der oberdeutschen Dorfgemeinde, 2s. f. Württemb.
Landesgesch. I (1937) S. 265 ff. In frühere Epochen zurück verlegt die Anfänge der Dorfgemeinde
F. Steinbach, Ursprung und Wesen der Landgemeinde nach rheinischen Quellen (i960).
29) Einzelheiten in Bd. II meiner dörflichen Rechtsgeschichte und speziell bei Bader, Dorf und Dorfgemeinde
im Zeitalter v. Naturrecht und Aufklärung, in: Festschrift K. G. Hugelmann I (1959) S. 1 ff.
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