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ist die Hochflut von Nachahmungen, die bis gegen Ende des Jahrhunderts Kriegsschicksale
und persönliche Abenteuer in die Form der Simpliciade kleiden. Unter
den Nachfolgern steht neben anderen Musikern wie Daniel Speer, Wolfgang
Caspar Printz und Johann Kuhnau ein großer Erzähler von eigener Bedeutung
in dem neuentdeckten Johann Beer, dessen Romane an bodenständiger Heimatverbundenheit
, Volksnähe und Raumfüllung dichterischer Landschaft es mit
Grimmelshausen aufnehmen können und an romantischem Kolorit und beweglicher
Phantasie sogar den Bahnbrecher übertreffen, während sie an tiefer Lebenswahrheit
, durchdachter Form, künstlerischem Aufbau und problematischem Gewicht
hinter ihm zurückbleiben.
Die Wiederentdeckung einer Blütezeit deutscher Erzählungskunst im 17. Jahrhundert
nahm mit der Ausgrabung des „Simplicissimus" durch die Romantik
ihren Anfang. Im Dezember 1809 las Goethe den Roman und fand, „er sei in der
Anlage tüchtiger und lieblicher als der Gilblas". In der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts mehrten sich die Neuausgaben, durch die das Werk in das Eigentum
der deutschen Bildungswelt überzugehen begann. Im 20. Jahrhundert kündigt
sich Grimmelshausens Eintritt in die Weltliteratur an, und ein Platz nicht allzu
tief unter dem genialen Cervantes wird ihm bereitet, ja mit Einschränkung ist er
sogar als die deutsche Parallele zu Shakespeare bezeichnet worden. Mit ihm beginnt
eine Linie urdeutscher Erzählungskunst, die später in Jean Paul, Gotthelf
und Keller, Stifter und Raabe ihre Fortsetzung findet. Grimmelshausen gehört zu
den ewigen Deutschen und ist zugleich ein Kind seiner Zeit, bodenverwurzelt und
mit Weltblick, in sich gekehrt und ins Weite schweifend, vergangenheitstreu und
zukunftsträchtig.
Angewandte Geschichtskunde
Pflegliche Betreuung des Stadtbildes von Gengenbach
Von Otto Ernst S u 11 e r
Es erklärt sich aus Wesen, Veranlagung und Neigungen geschichtskundiger Heimatforscher
und -freunde, daß sie bisweilen völlig in der Welt der Vergangenheit
aufgehen und darüber den Aufgaben des aktiven Schutzes der baulichen Zeugen
der von ihnen bis in die letzten Spuren untersuchten Vergangenheit sich versagen,
ja, sie als ihrer Teilnahme für nicht ganz gemäß und würdig ansehen. Ist der
Grund dafür, daß Geschichtsvereine heute vielfach darüber klagen, sie ermangelten
des Nachwuchses von Mitgliedern, nicht doch auch darin zu suchen, daß sie sich den
Bemühungen um die Erhaltung alter baulicher Kulturwerte entziehen oder ihnen
doch ihre Unterstützung nicht angedeihen lassen? — Das geschieht natürlich nicht
aus irgendwelcher Absicht, wohl aber aus einer gewissen Gleichgültigkeit dem
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