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Lag eine Klage des Abtes vor gegen einen Gotteshausmann von außerhalb der
Grafschaft Gengenbach vom Schwiegenstein bis über die Acher, den sollte der
Kastenvogt oder sein Unterpfleger vor die Kammer des Abtes zu Gengenbach vorladen
mit einmonatiger Frist. Wer diese Vorladung nicht befolgte, mußte dem
Kastenvogt ein Pfund Pfennig und dem Abt zwei Pfund Pfennig Buße erlegen22).
Wiederum war hierbei die Zweidrittel-Klausel der Nachweis des Eigentumsrechtes
über dieses Gericht. Genauso sollten auch die andern Hochgerichtsvögte der Abtei
für ihren Bereich verfahren 2:)).
Nach dem schlichten Wortsinn des § 55 in LH 1331: „Der Castvogt soll vorladen
und dem Abt und Gotteshaus richten nach der Ambachtleute Urteil", wäre
es möglich, daß der Kastenvogt auf Ortenberg im Namen des Abts Gericht gehalten
hat. Jedoch wurde gerade dieser anscheinende Gerichtsauftrag des Kastenvogts bei
der Redaktion von M 1516 § 67 ausgeschieden, und zwar nur dieser eine Satz. In
M 1516 wurde laut ausdrücklichem Vermerk24) nur aufgenommen, was noch im
Gebrauch war. Danach wäre diese an sich mögliche Übung inzwischen in Abgang
gekommen.
Ein abteiliches Sondergericht war vorgesehen, wenn ein Ambachtmann sein Amt
schlecht versah. Das richtete der Abt selbst in seiner Kemenate, wo dann die dazu
besonders berufenen Ambachtmannen das Urteil sprachen gemäß ihrem Eid *•).
Ähnlich wie die Ambachtmannen waren auch alle andern Gotteshausleute verpflichtet
, bei Bedarf auf Erfordern des Abtes das Recht des Gotteshauses vor dem
abteilichen Gericht zu sprechen 28). Als wichtigste Rechtsgrundsätze wurden den
Richtern und Beisitzern in Erinnerung gebracht, daß „sie urteilen und sprechen
nach Laut und Inhalt aller und jeder Punkte und Artikel in den Freiheiten, die dem
Kloster von Königen und Kaisern gegeben und auch durch ihre besiegelten Urkunden
bestätigt wurden, damit solche in Kraft blieben nach Klage, Gegenrede und
ihren richtigen Auslegungen" '"). Ferner, daß die von Kaisern oder Königen dem
Kloster gegebenen Rechte im Range vor den örtlichen oder regionalen Gewohnheiten
22) L II 1331, 55; M 1516, 67.
23) L II 1331, 56, 58. Daß dies die richtige Auslegung ist, ergibt sich aus der klareren Formulierung von
M 1516, 67: „Es solle auch ein Castvogt zu Orttenperg oder sin underpfleger gebitten vor einem Monat des
Apbts Kamer allen und yeden, so do wonen von dem Sdiwigenstein unntz über die Acher [und] von altar
gann Orttenperg gehorendt, an die ein Apbt etwas zu clagen [hat] umb sin gut oder sins gotzhus recht, wo
die uff sinem eigen sitzend und inn dem gericht gan Orttenperg dienent; wer das gebot (~ Aufgebot) breche
oder wie dick (= oft) er das breche, so bessert er dem Castvogt ein pfundt pfenning und einem apbt zwey
pfundt. Und das selb gebot sollendt auch ander vogt haltte, die von dem Rieh vogtrecht zu lehen hanndt.*
M 1516, 67.
24) Die klösterlichen Rechte . . . sovil der selben Privilegien, gnaden, Freyheiten und gerechtigkeytenn
noch in Übung und gebrudi gehalten wurden innsonders bestetiget . . . doch derselben noch etlich in gebruch
und Übung habe nach lut und Inhalt diser nachgander Punkten. Dann folgen die noch geltenden Klosterrechte.
M 1516, Einleitung.
25) Swclicher der ambahtlüte sin ambaht missewart, deme sol min herre der appet für sich tagen (= zu
Gericht sitzen) in sine kemenate und sol pflegen urteil der andern ambahtlüte uf iren eit. R I 1275, 3;
ebenso M 1516, 71.
26) L II 1331, 45; M 1516, 53.
27) M 1516, 68.
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