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Schicksal der Welt entscheiden. Auch die ehrenvolle Zurücktreibung der feindlichen
Truppen, welche an jenem Tag aus Straßburg und Kehl einen Ausfall gemacht
hatten, wurde in öffentlichen Blättern nur kurz berührt, und doch verdiente der
Heldenmut und die hohe Vaterlandsliebe, mit welcher unsere Krieger, nachdem
sie so lange sich fremden Zwecken aufgeopfert hatten, wieder zum erstenmal, und
zwar unter den Augen der Ihrigen, auf eigenem Boden gekämpft haben, zu ihrer
wohlverdienten Ehre und zur Ermunterung für die Nachwelt bekannt zu werden.
Im Verein mit mehreren Vaterlandsfreunden hatte ich gleich nach dem uns vor
Plünderung rettenden Treffen den Entschluß gefaßt, am Gieselbach als dem Entscheidungspunkt
des Gefechts dem ganzen Korps und insonderheit den Gebliebenen
ein steinernes Denkmal zu errichten. Allein dieser Vorsatz kam wegen unserer
durch den Krieg erschöpften Geldkräfte nicht zur Ausführung. So sei denn diese
Geschichte und die beiden sich darauf beziehenden Reden ein kleines Denkmal, im
Namen der ganzen Gegend, aus dankbarem Herzen euch, ihr tapferen Krieger, die
ihr mit freudigem Mut an jenem heißen Tag euer Leben für die Brüder wagtet
und hingäbet, geweiht. Jene unter euch, welche die göttliche Vorsehung bis jetzt
erhalten hat, können mit lohnendem Ehrgefühl sprechen: da war ich auch dabei,
und zu ihren Nachkommen: tut in ähnlichen Fällen auch brav, wie wir getan
haben. Die Verwandten und Freunde der ruhmvoll Gebliebenen mögen einen
Trostgrund mehr in der öffentlichen Anerkennung finden, wie mutig ihre Söhne,
Brüder und Freunde auch für sie kämpften und den schönen Tod für Regent und
Vaterland starben.
Auf die den Tag vorher erhaltene äußerst wichtige amtliche Nachricht, daß
die hohen Verbündeten Paris eingenommen haben, wurde hier am Karfreitag das
Fest der Welterlösung mit dem Fest der nunmehr entschiedenen Völkererlösung
verbunden.
Fast das ganze zweite Bataillon des hier liegenden Regiments Großherzog
(Nr. 3) wohnte dem Gottesdienst bei; unter dem Lobgesang wurden zur Feier
des großen Ereignisses von unsern diesseitigen Truppen 101 Kanonenschüsse getan.
Während des Nachmittags-Gottesdienstes fielen schnell hintereinander mehrere
scharfe Kanonenschüsse. Wir stürzten, durch lange traurige Erfahrung belehrt,
einen ernsten Angriff vermutend, aus der Kirche und sahen zu unserem Schrecken,
daß bei dem nahen Neumühl bereits das Treffen begonnen hatte. Bald war die
Straße von daher mit fliehenden Weibern und Kindern bedeckt; wir hörten das
Kommandieren der feindlichen Führer mitten unter dem immer heftiger werdenden
Kanonendonner und Kleingewehrfeuer. Augenblicklich eilte der das diesseitige
Blockadekorps kommandierende Herr Obrist von Brandt nach dem angegriffenen
Neumühl, wo aus einem brennenden Haus eine Rauchsäule, als Zeichen des wahrscheinlichen
Schicksals des ganzen Orts, bereits emporstieg. Mit einer Schnelligkeit
und Freudigkeit, die wir noch an keinem Militär in dem Grad zu bewundern
hatten, stürzte ihm bald darauf das ganze Bataillon, unter Anführung des Herrn
Obristlieutenant v. Reischach, nach. Es gilt heute das Vaterland, blitzte aus dem
Auge jedes freudig wie zu einem Fest eilenden badischen Kriegers.
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