http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1963/0011
Freiin Gertrud von Schauenburg
Am Sonntag, den 3. März 1963, schloß Gertrud, Freiin von Schauenburg
auf Schloß Gaisbach bei Oberkirch nach schwerem, mit vorbildlicher Geduld
ertragenem Leiden ihre Augen für immer. In den letzten Jahren ihres
Lebens führte sie die Mitgliedergruppe Oberkirch unseres Vereins und
prägte der Arbeit im Renchtal den Stempel ihrer Persönlichkeit auf.
Geboren 1902 in Berlin als Tochter eines Diplomaten, verbrachte sie ihre
Jugend in Italien und der Schweiz und kehrte nach dem Zusammenbruch
im ersten Weltkrieg 1918 mit ihren Eltern in die Heimat des Vaters zurück.
Dieser, von Natur und aus Liebhaberei passionierter Historiker — er
gründete auch die Ortsgruppe Oberkirch des Historischen Vereins — führte
das aufgeweckte Kind schon sehr früh in die Geschichtskunde ein. Auch die
Mutter aus dem alten schwäbischen Geschlecht Hartmann von der Owe war
historisch sehr interessiert und zog die Tocher zu den vielseitigen Arbeiten
auf diesem Gebiet heran. So war „die Baroneß", wie sie allgemein genannt
wurde, der gegebene Nachfolger in der Führung unserer Ortsgruppe, als die
Mutter aus Altersgründen sich von den öffentlichen Geschäften zurückziehen
mußte.
Gertrud von Schauenburg vereinigte in besonderer Weise ein profundes
historisches Wissen mit einem eigenartigen persönlichen Charme und verstand
es, auch trockene Geschichte durch den Zauber ihrer Darstellungsweise
lebendig und interessant zu machen. Dazu war ihr keine Mühe zu groß,
wenn es sich darum handelte, dem Verein und der Geschichte überhaupt
neue Freunde zu gewinnen. Sie beschränkte sich dabei nicht auf Wissenschaft
allein, sondern suchte durch Erweiterung des begrenzten sachlichen Stoffes
in künstlerische und kulturelle Gebiete lebendiges Leben, wie es ihrer
farbigen Persönlichkeit entsprach, den Zuhörern nahezubringen. Stets war
sie auf der Suche nach Vortragenden für ihren Verein oder nach lohnenden
Zielen für Besichtigungen oder sonstige Veranstaltungen. Eine letzte „Dame
des Barock" ist mit ihr dahingegangen.
Der Verein steht trauernd an der Bahre seiner Mitarbeiterin, die durch
ihr Leben bewiesen hat, daß Geschichtskunde keine Sache vertrockneter alter
Leute ist, sondern sehr wohl Angelegenheit farbenfreudiger, frischer Jugend
sein kann. Der „letzte Gruß", den er seinem Kranz an ihrer Bahre beigab,
bedeutet kein Vergessen: Gertrud von Schauenburgs Name bleibt mit der
Ortsgruppe Oberkirch des Historischen Vereins ebenso wie der ihrer Eltern
auf immer als charakteristisch für die Arbeit im Renchtal verbunden.
Hans Heid
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