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Wild gab es zudem im Überfluß. Der Wiederaufbau und die Erholung des Landes
ging zwar langsam, aber auch stetig voran, und es bestand berechtigte Hoffnung,
daß sich die Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, in absehbarer Zeit schließen
würden. Da folgte nach einer Ruhezeit von etwa 25 Jahren erneut eine kriegerische
Epoche, und wieder stampfte die Zerstörung durch das Land. Das politisch erstarkte
Frankreich drängte nach Osten und pochte mächtig an die Tore des Reiches.
Not und Elend kamen aufs neue über die Menschen unserer Gegend. Die Brand-,
Plünderungs- und Fluchtjahre lösten sich in rascher Folge ab; 1675, 1677, 1688,
1689, 1690 schrieben ihre Markierungen in die Landschaft. Die Zerstörung der
festen Plätze lag im französischen Programm; man wollte verhindern, daß sich
an der Westgrenze des Reiches ein Widerstand festsetzen konnte. Systematisch
wurde diese Zerstörung durchgeführt. Für unsere Gegend war M. de Chamylli,
Statthalter von Straßburg, zuständig. Die Offenburger Stadtmauern, die Tiefburg
von Lahr, das Schloß Geroldseck standen unter anderem auf seiner Liste. In
Schuttern bangte sogar der Abt um die Einfriedigungsmauern seines Klosters.
Für die Zerstörung von Geroldseck sind lange Zeit verschiedene Daten genannt
worden. Die einen gaben 1677, die andern 1689 an. Bei Himmelsbach findet sich
1689 als Jahr der Zerstörung. Er belegt diese Angabe durch einen Hinweis auf
den Dekan Lipp, der den letzten Gottesdienst auf Geroldseck vor der Zerstörung
gehalten habe. Wir können diesen Vermerk durch einen Tagebucheintrag des
Abtes Jakob von Schuttern stützen. Es heißt dort unter dem 15. Januar 1689:
„Hisce diebus urgebatur demolitio arcis Lahrensis et Geroldzeck, ad ultimam
debui dare subinde currus, ordinantiam accepi a M. Chamylli." (In diesen Tagen
wurde die Zerstörung der Lahrer Burg und der Burg Geroldseck mit Nachdruck
gefordert. Zu letzterer mußte ich dann Wagen stellen. Den Befehl erhielt
ich von Herrn Chamylli.) *) Es ist demnach die Zerstörung der Geroldseck in der
Woche vor dem 15. 1. 1689 vollzogen worden. Amtmann Pistorius hatte zuvor
die Räumung der Burg durchzuführen. 30 Säcke, die der Abt von Schuttern neben
den Wagen noch zur Verfügung stellte, hat dieser zu seinem großen Ärger nie
wieder zu sehen bekommen.
So wurden die damaligen Bewohner des Geroldsecker Ländchens, die den
Mühlenstreit und den Flaschenkrieg miterlebt hatten, auch Zeugen der Zerstörung
dieser alten Burg. Sie sahen die Fackel des Brandes hoch über dem Berg stehen.
Ob sie auch der Herr von Cronberg, den die Sache ja am nächsten anging,
gesehen hat, ist fraglich. Es ist schwer auszumachen, wo er sich in dieser Zeit
aufhielt. Die Heirat mit der Gräfin Charlotte von Sayn und Wittgenstein ist
jedenfalls nicht im Geroldseckischen vollzogen worden. Wahrscheinlich hat der
Graf das Ländchen, das ihm so viel Ärger eingebracht hatte, damals so weit als
möglich gemieden. Frägt man nach dem Ausgang des Mühlenstreits, so ist zu
1) Dr. H. Wiedtemann hat im Altvater, Heimatbeilage zur Lahrer Zeitung, Jahrgang 1951, die
Datierung nachgeprüft. Er hat dabei auch den diesbezüglichen Vermerk im Protokollbuch des Landkapitels
Lahr als Quelle herausgestellt. Dort heißt es: „Am Feste der Dreikönige (1689) habe ich (Dekan Lipp)
auf der Burg Geroldseck, die kurz vorher von den Franzosen in Besitz genommen war, das letzte Sacrum
oder Messe gelesen; wenige Tage darnach wurde diese von den Franzosen in Brand gesteckt und zerstört."
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