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„Die Würthe undt Gastgeber zu Liechtenau sollen fürohin niemandt mehr in M. G. H.
Namen der Zehrung ohne I. Gn. sonderbaren schriftlichen Befelch erlaßen und selbige
I. Gn. hernacher zurechnen, sondern jedem frembden Gast seine Zehrung selbst ab-
nemmen" (Gen. Konv. 22).
Trotzdem stand Joh. Reinhard laut Inventar 1626 bei Kronenwirt Gentner mit 715 fl.
14 Batzen für Zehrungen in der Kreide!
Die Mittel zur Führung seines leichtfertigen Lebens suchte er sich durch Veräußerung
und Verpfändung herrschaftlicher Gefälle und Güter zu verschaffen. Von
Gläubigern genötigt, ließ er sich zu Abmachungen über die Rückzahlung alter
Schulden herbei, konnte sie aber nicht einhalten. Seit 1606 verblieben auch verschiedene
Zinsen im Rückstand. Dabei huldigte der Graf dem in höchster Blüte
stehenden Laster der Trunksucht 5).
Die vielen Schulden und daraus sich ergebende Rechtsstreite trübten das Verhältnis zu
Straßburg. Zwar erklärte der Graf bei seiner Einkehr am 31. März 1610 zweien vom
Rate, die das städtische Verehr an Wein nach der Herberge zum „Raben" brachten, über
der Tafel: „Wann er nicht gut straßburgisch sei, möge ihn der Teufel holen; es sei ihm
nicht wenig an der Erhaltung dieser Stadt gelegen, da sein Land darum liege" (Prot,
d. 21er). Hingegen gebrauchte Joh. Reinhard beim Nachtimbiß in diesem vornehmsten
Absteigequartier Straßburgs in Gesellschaft von Grafen und Herren 1616 beleidigende
Worte über Rat und Bürgerschaft, redete von Schelmenstück und bezichtigte sie der Unredlichkeit
. Auf Verweis des Rates schrieb er diese Äußerungen dem Weine zu. Zu eben
dieser Zeit sprach der Graf in einer Schenke des straßburgischen Dorfes Dosenheim auch
dem Wirte, welcher ihm den Trunk darbot, zu: „Ihr möchtet wohl ein ehrlicher Mann
sein, aber Euere Herren zu Straßburg sind Schelmen" (A A 1749).
Bei der im Januar 1607 vorgenommenen Amtsvisitation zu Lichtenau, wobei die
Untertanen ihre Beschwerden vortrugen, erfuhren sie durch den Mund des Grafen
selbst, wie er mit Schulden überladen und gedrängt werde, daher gedenke, auf
die Ämter Lichtenau, Willstätt und Brumath 100 000 fl. zu leihen, an welcher
Summe die Gerichte Lichtenau, Bischofsheim und Offendorf 40 000 fl. auf sich
nehmen und die jährlichen Zinsen aus den herrschaftlichen Gefällen abrichten
sollten. Die Verschuldung der Grafschaft, insonderheit aber die geplante Darlehensaufnahme
, erfüllte die Leute mit Schrecken; die Verantwortung gegenüber
ihren Kindern ermutigte sie, dem gnädigen Herrn eindrucksvoll ihre Meinung
darzulegen.
Aus der Supplikation des Gerichts Lichtenau:
1. Die Aufnahme der 100 000 fl., wobei das Amt Lichtenau sich für 40 000 fl. verbürgen
sollte, würde den Untertanen schwer fallen, indem sie bereits für über 20 000 fl. Bürgschaft
leisteten, doch wollten sie solche Summe aus Dankbarkeit gegen Ihr Gnaden als ihrer
christlichen Obrigkeit untertänig bewilligen, bitten aber, mit dieser starken Summe Geldes
die alten auf dem Amte stehenden Schulden abzutragen.
5) Den 11. März 1609 brachte der Buchsweiler Pfarrer Jakob Hagmeier im Rate vor, „weil die österliche
Zeit nahe, sei er der Hoffnung, der Graf werde, wie immer zu dieser Zeit beschehen, auch zu dem Tisch des
Herrn gehen. Nun wisse man sich zu erinnern, was Ihro Gnaden vor ein Leben führe, sowohl im
überflüssigen Trinken als sonsten, derhalben wäre seine Meinung, er sollte demselben
solch bös Leben vorhalten, wofern die Herren Rath ein solches vor gut hielten. Uff welches nach seinem
Abtritt ihm eröffnet worden, daß man dafür halte, er als ein Seelsorger werde wissen, was zu tun seye"
(G L A Konsistorialprotokoll 5814).
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