http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1963/0170
II.
Die Herren von Lichtenberg besaßen kein Münzrecht; man rechnete mit Straßburger
Münzen und nach Straßburger Währung. Dagegen hatten die Grafen von
Hanau 1368 durch Kaiser Karl IV. das Münzrecht auf ihr Stammland Babenhausen
südlich der Stadt Hanau erhalten, aber keinen Gebrauch davon gemacht").
Erst Graf Philipp V. von Hanau übertrug dieses Recht auf seine Grafschaft Hanau-
Lichtenberg und ließ 1587 in dem elsässischen Amtsstädtlein Wörth an der Sauer
eine Münzstätte errichten, um hanauisches Geld schlagen und in Umlauf setzen zu
können. Bald aber war die Zeit gekommen, wo die Münzfreiheit nicht mehr allein
dazu benutzt wurde, das Bedürfnis der Untertanen nach guten Zahlungsmitteln zu
befriedigen, sondern als ergiebige Einnahmequelle den Herrschaften half, die
eigene Kasse zu füllen. Trotz aller Verbote wurden die „groben" Sorten mit
hohem Silbergehalt überall aufgesucht, eingeschmolzen und daraus mehr oder
weniger geringhaltige Scheidemünzen, sogenanntes „leichtes Geld", geprägt. So
entzog man die guten Münzen völlig dem Verkehr zum großen Schaden derjen'gen,
welche ihr Geld gegen andere Werte umsetzen wollten. Dieser unerhörte Schwindel
dauernder Münzverfälschung durch Verringerung des Feingehalts wird das K i p -
per-undWipperwesen benannt. Ganz Deutschland war damals mit minderwertigen
oder fast wertlosen Münzen überschwemmt. Eine Steigerung der Erträge
des Münzgeschäfts ging nicht an, weil die benachbarten Münzstände — im
Unterelsaß Bistum und Stadt Straßburg, die Reichsstadt Hagenau neben der Grafschaft
Hanau-Lichtenberg — eine gegenseitige Kontrolle ausübten, jeder Münzstätte
ein Höchstbetrag zugewiesen und die Errichtung einer zweiten Münzstätte
in dem Gebiete eines münzberechtigten Standes durch Reichsbeschlüsse untersagt
war. Ab 1619 fielen die „Probationstage" des Oberrheinischen Kreises zu Worms
für längere Zeit aus. Jetzt begann die schlimmste Zeit der Münzverwirrung oder,
besser gesagt, der Münzverfälschung. Verträge wurden nicht mehr in Ehren
gehalten. Unter diesen Umständen war es erklärlich, daß sich auch Graf Johann
Reinhard von Hanau dieses anscheinend so billigen Mittels zu bedienen suchte,
seinen zerrrütteten Staatsfinanzen aufzuhelfen. Auf Anraten geschickter Spekulanten
wurde 1620 die Aufrichtung einer zweiten Hanau-Lichte
n b e r g i s c h e n Münzstätte in dem rechtsrheinischen
Amtsort Willstätt beschlossen. Die Akten über dieses Unternehmen sind
spärlich und nur in dem Faszikel E 2917 vorhanden. Aus ihnen geht aber deutlich
hervor, daß die Willstätter Münzstätte eine rechte und wirkliche Hecken-
münze war, welche die Verworrenheit der Kipperzeit gehörig auszunutzen
wußte und der Rentkammer (Landeskasse) in Buchsweiler ganz bedeutende Einnahmen
verschaffte.
Eine Beschreibung der Münze gibt das Willstätter Amtsinventar 1626 (Staatsarchiv
Darmstadt): Anschlag der Gebäude: das Wohnhaus 1200 11.; das Münzwerkhaus mit dem
Wasserbau 800 fl.; der Hof bei der Münze mit Haus und Nebengebäuden als Scheuer,
0) Xaver Nessel, Willstätt eine hanau-lichtenbergische Münzstätte. Frankfurter Münzzeitung Nr. 83
(1907), S. 153/61. Siehe auch Xaver Nessel, Beiträge zur Münzgeschichte des Elsaß, Frankfurt a. Main 1909,
S. 86/94.
158
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1963/0170