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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
44. Jahresband.1964
Seite: 20
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phetie passen würde. Allein er hieß ja Wilhelm. Indessen hatte er einen Sohn, der
Friedrich hieß. Er war der Schlachtfeldsieger von 1866 und 1870/71 und war
der Held und Liebling des Volkes geworden. Aber erst die Totenglocken des
9. März 1888 gaben ihm die Griffel der Regierung ungeschmälert in die Hand.
Vermerken wir gleich wiederum die Sonderbarkeit, daß er (eigentlich Friedrich IV.
oder gar V.) sich Friedrich III. nannte. Man hat natürlich die Wahl dieses Namens
rechtfertigen müssen, denn im 2. deutschen Kaiserreich war er ja der erste
Friedrich. Beim Volke freilich, das den Pulsschlag der großen Weissagung abhorchte
, war keine Rechtfertigung nötig. In Wirklichkeit hieß er sogar Friedrich
Wilhelm, von welchem Namen es bereits 4 Könige gegeben hatte. Er wählte als
neuer König aber ausgerechnet den Namen Friedrich. Kurz, wir spüren schon
darin das hintergründige Walten der Prophetie, wie wir dies schon verschiedentlich
andeuten konnten. Der verführerische Dämon wirkte seit alters in der Hohen-
zollernfamilie, in der es stets Friedriche gab und die oft dem Walten des Unheimlichen
entgegenkommen wollten. Bei der Thronbesteigung Friedrichs III. schrieb
ein Gelehrter: „Propheten, Dichter und Weise malen oder legen die Weissagung
aus. Staatsmänner, Fürsten oder Helden führen sie aus, wenn die Zeit dazu
kommt. Daher müssen wir mit aller Achtung und Freude, ja Erbauung auf den
alten Prophetentraum zurückblicken!"

Der neue Kaiser war auch willens, diesem Bild, das sich das Volk von ihm
gezimmert hatte, in seinen Zielen und Taten zu entsprechen. Allein eine höhere
Gewalt befreite ihn von der Verwirklichung seiner guten Absichten. Nach
99 Tagen der Regierung segnete er bereits das Zeitliche. Krasser als in diesem
Fall konnte die Enttäuschung kaum das gute Volk entzaubern.

Hat nun die kluge Gegenwart den faulen Sibyllenzauber endgültig und entschlossen
abgestreift? Mitnichten! Noch im 20. Jahrhundert geisterte er als Weissagung
der Geißenkätter von Gutach durch den Schwarzwald: Wirrwarr unter
den Menschen, furchtbarer Krieg. Wer ihn aber übersteht, wird eine glückliche Zeit
erleben. Ein Bauernkaiser wird ins Land kommen und herrschen als ein guter Vater!

War dies nur in Gutach und Umgebung? Weit gefehlt! In anderen Gegenden
weiß man nichts von einer angeblichen Geißenkätter, dafür haben sie ihren blinden
Toni von Haslachsimonswald. Es ist, obgleich mündlich weitererzählt, fast wörtlich
das Gleiche. Man flüsterte dasselbe am Rhein, im Hanauerland, in der Mainzer
Gegend, in Oberösterreich und vielen anderen Landschaften im weiten deutschen
Lebensraum. Aus der mündlichen Uberlieferung ergibt sich leicht, daß es nirgends
völlig das Gleiche sein kann, aber eine Reihe von Wortspielen zeigt jedem augenscheinlich
, daß es sich überall um die nämliche Prophetie handelt, die also trotz
gegenteiliger Versicherung von der guten Geißenkätter oder dem blinden Toni,
vom Duwaksepp, vom Waldpropheten usw. nicht gut frei aus den Tiefen hellseherischen
Schauens ans Licht gefördert worden sein konnte.

Uns allen ist noch die letzte, gräßlichste Ausbildung der Friedrichgestalt in
Erinnerung. Der verhängnisschwere Zauber lag darin, daß die Nationalsozialisten
ihr Reich das Dritte Reich nannten, das 1000 Jahre d. h. ewig sein wird. Damit
knüpften sie an eine frühere Ausprägung der Friedrichsprophetie, um 1300 nach-

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