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seiner Maßnahme und begründet sie damit, daß List mehrmals hochtrabende
Reden in einem von Revolutionären besuchten Casino geführt habe und stark verdächtigt
sei, der Neckarzeitung scharfe Artikel geliefert zu haben. Ein „Grund"
war also endlich gefunden.
List verließ am 17. September Straßburg und reiste von dort nach Basel, doch
die polizeiliche Überwachung ließ ihn nicht aus dem Auge. In einem Brief vom
28. September berichtet der Präfekt dem Innenminister, daß List sich tatsächlich
nach Basel begeben habe, aber wahrscheinlich nur, um auf die falsche Spur zu
führen, denn es sei gewiß, daß er seit 26. September in Kehl weile. List beabsichtige
ohne Zweifel wegen der Nähe Straßburgs, seine Beziehungen nach dort
fortzusetzen und der Neckarzeitung weitere Artikel zu liefern. Falls er nach
Straßburg zurückkehre, werde er ihn festnehmen lassen.
In der Tat befindet sich List in Kehl und schildert am 30. September von dort
in einem längeren Brief an Joh. F. Cotta sein neues Unglück. Von Basel aus, wo
er einen neuen Wirkungskreis zu finden hoffte, war er seiner Frau entgegengereist,
die von der Ausweisung noch nichts wußte, um sich mit ihr nach dort zu begeben.
Unterwegs wird zu allem Unglück sein Kind krank, und er erreicht zur Not noch
Kehl, wo sein Gepäck liegt. Im Tagebuch vermerkt List:
„Kehl wird unser Kind krank. Wir suchen ein Logis und finden ein bequemes
bei ... (Name unleserlich). Einrichtung. Harren auf eine Veränderung der
Dinge."
Winteraufenthalt in Kehl oder Kork?
Im Rahmen der Geschichte unserer engeren Heimat interessiert nun natürlich die
Frage, wo sich List den Winter über aufgehalten hat. In der großen List-Ausgabe
findet sich in der ausgezeichneten chronologischen Schilderung seines Lebenslaufes
unter dem 26. September 1822 der Vermerk: „Ankunft mit der Familie in Kehl
und Aufenthalt in Kork bei Kehl bis Frühjahr 1823."
Auf dieser Feststellung gründen nun offensichtlich die Angaben jener Autoren,
die, wie wir eingangs gesehen haben, Kork als Wohnsitz bezeichnen. Auch Karl
August Meißinger schöpft aus der Gesamtausgabe der List-Gesellschaft, so daß er
auf Seite 66 schreibt:
„Zunächst setzt er es durch, ein volles halbes Jahr in dem kleinen Flecken
Kork bei Kehl unbehelligt zu leben. Wenigstens Fluchtreisen zur Winterszeit
bleiben den Heimatlosen erspart. Vielleicht hat einmal ein menschlicher Amtmann
ein Einsehen und nimmt es nicht genau mit der polizeilichen Anmeldung
des Flüchtlings, der ohne Heimatschein, lediglich mit dem Straßburger Ausreisepaß
in der Welt herumreist. Man kann auch die Weitermeldung der Anwesenheit
dieser Leute an das Oberamt zufällig verbummeln und steckt dann
dafür einen ungefährlichen Rüffel ein."
Nun gab es zwar kein Oberamt Kehl, wie der Verfasser meint, aber seine
Mutmaßungen könnten angesichts der Hartnäckigkeit des Kriminalgerichtes Stuttgart
auf den ersten Blick einleuchten. In Wirklichkeit konnte das Gericht bei
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