http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1964/0142
handen9); sie hätten näheren Aufschluß über den wahren Aufenthaltsort Lists
geben können. Das Bezirksamt Kork teilte List mit10):
„Dem Herrn Professor List aus Reutlingen, gegenwärtig in Stadt Kehl wohnhaft
, wird in Gewißheit eines neuerlichen Requisitionsschreibens des königlichen
württembergischen Kriminalamts zu Stuttgart vom 18. curr. nach eingeholtem
Gutachten des großherzoglichen Physikats dahier, wonach seine gegenwärtigen
Gesundheitsumstände eine Reise von Kehl nach Stuttgart ohne Gefahr gestatten,
zu erkennen gegeben, daß er sich die mißliebigen Maßregeln selbst zuzuschreiben
habe, wenn er sich in den nächsten acht Tagen nicht vor dem königlichen
Kriminalamt zur Erstehung seiner Strafe einfinden würde."
Auch dieses amtliche Schreiben ist nach Kehl gerichtet, und man darf annehmen
, daß dem Bezirksamt der tatsächliche Wohnort Lists bekannt war. Der
uns vorliegende Entwurf seiner Antwort an das Bezirksamt stammt ebenfalls
von Kehl. Die Zahl der Hinweise auf Kehl als Aufenthaltsort Lists ist doch
erdrückend. Auch das Stadtarchiv Reutlingen, dem das List-Archiv angegliedert ist,
bemühte sich um eine Klärung"). Es scheint ein unglücklicher Zufall, daß der
einzige Hinweis in der großen List-Ausgabe auf Kork als Wohnort nicht belegt ist,
so daß wir aufgrund aller Hinweise die uns bewegende Frage zugunsten Kehls
beantworten müssen.
Die Übermittlung der Anforderung durch das Kriminalamt Stuttgart über das
Bezirksamt Kork ist nicht die einzige Hiobsbotschaft jener Tage. Bereits am
12. Februar 1823 wurde List von Prof. Ludwig von Hornthal (Freiburg) unterrichtet
, daß die badische Regierung sein Auftreten als Privatdozent nicht genehmigen
könne, solange sein Prozeß noch nicht geendet habe, denn immerhin sei
er, ob mit Recht oder Unrecht, peinlich angeklagt. Schließlich erhält er Anfang
April 1823 von „unbekannt" ein Schreiben:
9) Schreiben des GLA vom 14. Juni 1963. Die Archivdirektion Stuttgart äußerte sich zu der angeschnittenen
Frage am 29. August 1963: „In den einschlägigen Beständen des Hauptstaatsarchivs Stuttgart und des
Staatsarchivs Ludwigsburg konnte nicht festgestellt werden, ob Friedrich List im Winter 1822/23 in Kork
oder Kehl seinen Wohnsitz hatte. Die Akten des Amtsgerichts Stuttgart, der Nachfolgebehörde des
.Criminalamts' Stuttgart (= Stadtgericht für die Strafrechtspflege und für Ehesachen), beginnen erst mit
dem Jahr 1843 (Bestand F 302). Die beim Kriminalsenat Eßlingen und beim Obertribunal Stuttgart erwachsenen
Akten über den Prozeß gegen Friedrich List enthalten keine Hinweise auf den jeweiligen Aufenthaltsort
Lists (E 319 Bü. 4). Auch die Ermittlungen in der Registratur des Justizministeriums (E 301 bis
303) blieben ergebnislos." Auch das Stadtarchiv Stuttgart besitzt laut Mitt. vom 17. September 1963 keine
Akten des Kriminalamtes Stuttgart, aus denen unsere Frage zu beantworten wäre.
10) Friedrich List, Schriften, Reden, Briefe, Bd. VIII.
11) Herr Burkhardt teilte uns am 20. Februar 1963 liebenswürdigerweise mit, daß er sich die Mühe
gemacht habe, wohl alle in Betracht kommenden Originale durchzusehen. Unter Bezugnahme auf die von
uns zitierten Stellen faßt er sein Urteil wie folgt zusammen: „Danach möchte ich nicht annehmen, List habe
jemals in Kork gewohnt." Da List von Kehl aus auch mit Joh. Fr. von Cotta (Verleger und ritterschaftl.
Abgeordneter, Freund Lists) korrespondierte, wandte ich mich auch an das Cotta-Archiv (Stiftung der
Stuttgarter Zeitung) im Schiller-Nationalmuseum in Marbach, welches am 11. September 1963 mitteilte:
„Leider haben wir hier Briefe von Friedrich List erst von dem Jahr 1835 an. Die früher von List an Cotta
gerichteten Briefe befinden sich im Reutlinger List-Archiv. Die in der großen List-Ausgabe im Briefband 8
(1933) abgedruckten Briefe aus der fraglichen Zeit sind (seit dem 30. September 1823) aus Kehl datiert.
Ein Brief vom Bezirksamt Kork vom 26. März 1823 läßt ebenfalls erkennen, daß List zu dieser Zeit in
Kehl wohnhaft war." Allen Archiven und der List-Gesellschaft sei hier für ihre so tatkräftige Hilfe herzlich
gedankt.
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