http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1964/0144
preisen in Bodersweier, und schmunzelnd liest man, was er über den Einzug des
Heeres des Schwäbischen Kreises unter Herzog Karl von Württemberg in Kehl
vermerkt. Der Heerzug glich nach List mehr einer Auswanderung als einer
mobilen Armee:
„Niemand empfand diesen Heereszug mehr als die Kartoffel- und Rübenfelder
der armen Bauern am Rhein, welchen unser Kreiskontingent Tod und
Vernichtung geschworen zu haben schien."
Ein kulturgeschichtlich interessantes Dokument hinterließ uns List mit seiner
anschaulichen Schilderung des damaligen Straßburg, das ihm ans Herz gewachsen
war. Er wäre deshalb wohl auch nicht auf die Dauer in Kehl geblieben, an
welches er sich aber „mit vielem Vergnügen" erinnert und dessen Bürgern er hohes
Lob zollt:
„Dieser kleine Ort zählt viele unterrichtete und achtungswerte Bürger, die
mir alle mögliche Freundschaft erwiesen."
Von Straßburg möchte List nach Paris, aber da er vor drei Jahren ausgewiesen
worden war, muß sein Paß erst nach Paris geschickt werden, so daß er sich
entschließt, noch einige Wochen in der Stadt zu bleiben. In seinem ihn selten
verlassenden Optimismus erwägt er wiederum, sich in Straßburg niederzulassen.
Wie hoffnungslos jedoch seine Lage ist, wird er schnell gewahr, als ihm bei einer
Vorladung am 20. Februar eröffnet wird, daß er auf Anordnung des französischen
Innenministers sofort nach Le Havre reisen müsse, ohne dabei Paris zu berühren.
Mit seinem französischen Interimspaß wechselt List wieder einmal auf die andere,
ihm ebenfalls wohlvertraute Rheinseite. Aber sein Unstern wollte, wie er schreibt,
daß er auch im Badischen verdächtig war, weil er dem Bürgermeister von Kehl,
einem Straßburger Kaufmann, angeblich eine Beschwerdeschrift gegen eine Maßnahme
der Militärbehörde angefertigt haben soll. Es bleibt deshalb sicherlich
bei dem einen Glas Roten, das er in einem Gasthaus in Sundheim bei dem Wirt
Rösch mit dem Pfarrer von Kehl trinkt, da er nun in rascher Folge seinen Aufenthaltsort
wechselt. Zunächst nimmt ihn Pfarrer Zipperlen in Bodersweier12)
auf, dann besucht er Fecht in Kork und begibt sich von dort nach Neumühl, wo
die Wirtin um 10 Uhr noch seinen Paß verlangt. Aus den Briefen an seine Frau
wissen wir, daß er am 9. März 1825 in Rheinbischofsheim weilte, wo er eine
Abschrift seines Interimspasses, die er an Joh. Fr. Cotta schickte, beglaubigen ließ.
Man rät ihm, die Gegend zu verlassen; am 14. März schreibt er seiner Frau aus
Rastatt, wo er den Traubenwirt Dittler aus Pforzheim trifft, der ihn anscheinend
nach dort mitnimmt, denn am 18. März teilt List ihr mit, daß er „mit einem
guten Freunde habe umsonst hierherfahren können". Nach der Tagebuchnotiz
„Dittler zur Traube" zu schließen, wartet er sicherlich bei diesem auf seinen
Paß, den er Anfang April auch erhält. List notiert: „Montagabend kommt der
Paß. Dittler war in Stuttgart. Der Paß war aber schon nach Pforzheim." Einen
Bruder dieses Traubenwirts, den Großherzoglichen Baurat Georg Jakob Dittler,
12) Im Original: Bodershausen.
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