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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
44. Jahresband.1964
Seite: 145
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„Zeiguhr" aus dem „Nebensack" entfallen und verschwunden. Die vom Lärm angelockten
Bürger holten die Wache aus dem Corps de Garde herbei, um Frieden zu stiften. Als
die städtischen Soldaten den „Schnecken" hinauf drangen, wurden sie von der betrunkenen
Dienerschaft mit Schimpfworten und entblößtem Degen angefallen, weshalb sie sich in
Eile zurückzogen.

Auf diesen Zwischenfall stürzte Joh. Reinhard alsbald mit gezogenem Rapier samt Edel-
leuten und Dienern, gleichfalls mit blankem Degen, die Treppe herunter, schrie am Tor
der Herberge die Wache tobend an: „Ihr Hunde, Ihr müßt alle sterben!", und griff sie auch
mit Hauen und Stechen an. Eindringlichst warnten dieselben, innezuhalten, da sie sonst
gezwungen wären, Feuer zu geben. Der Graf von Herberstein, der seinen Schwager in
Lebensgefahr gesehen hatte, und die gaffende Menge mahnten die Soldaten, sich in bessere
Defension zu stellen. Weil der Auflauf sich mehr und mehr vergrößerte, der Graf von
Hanau dem einen Musketier auf dem Hals war und rief: „Du Hund, du mußt sterben!",
eröffnete die Wache zur Rettung ihres Kameraden das Feuer auf die Angreifer. Da nun
Joh. Reinhard auf gütliches Zureden des Wirtes und der herzugelaufenen Bürgerschaft
endlich den Kampf abbrach und sich mit Gefolge zurückzog, blieb ein Bedienter tot vor
dem Tor, einer der Hofleute sterbend auf der Gasse liegen. Auf dem Kirchhof zu Willstätt
wölbten sich seit dem 6. Juli 1665 zwei Grabhügel über den bemitleidenswerten Opfern
menschlicher Leidenschaften. Das Kirchenbuch berichtet in dürren Worten:

„Den 6. Juli begraben Junker Wilhelm David von Mund, Gräfl. Hanauischem Hofjunker
und Stallmeister. Michael, Junker Johann Gottfried von Glaubitz Reitknecht.
Sind den 4. Juli in der Herberg zum Ochsen in Straßburg geschossen worden. Der Reitknecht
blieb gleich tot, der Junker starb etlich Stund hernach."

Maßlos übersteigertes Ehrgefühl Graf Joh. Reinhards verhinderte eine gerechte Beilegung
der leidigen Schuldfrage und stempelte die Angelegenheit zu einer politischen
Machtprobe, um so mehr, da der Rat den vermeintlich Beleidigten die erwartete Satisfaktion
wegen dem Eingreifen der Stadtwache versagte. Zur Vergeltung bestritt Hanau
den zur Frankfurter Messe fahrenden Straßburger Handelsleuten das Geleitsrecht durchs
Amt Lichtenau. Doch machte der Rat gute Miene zum bösen Spiel und verzichtete für
dieses Mal auf das Herkommen, seine Bürger von städtischen Soldaten durch des Grafen
Territorium geleiten zu lassen. Joh. Reinhards Rachedurst tobte unterdes weiter, so daß
der gemeine Mann zu Straßburg und im Hanauerland eine Festnahme der heimkehrenden
Messefahrer fürchtete. In der Residenz Bischofsheim besprachen die Musketiere der
gräflichen Kompanie bereits den kommenden Krieg mit den zu Tode erschrockenen
hanauischen Untertanen. Meister und Rat (von Straßburg) hatten aber in aller Stille einer
Verschärfung der Lage vorgebeugt und unterm 27. September ein Schreiben an die heimfahrenden
Kaufleute bei dem Postmeister zu Rastatt hinterlegen lassen, für die Rückreise
den Weg bis zur Beilegung der Streitigkeit nicht durch Bischofsheim zu nehmen (A A 1773).

Doch nicht lange währte Graf Johann Reinhards Familienglück. Noch am
Ostertag, dem 15. April 1666, hatte er mit der Gemeinde das hl. Abendmahl
empfangen und am Gottesdienst des Ostermontag teilgenommen, als er nach der
Rückkehr aus der Kirche von einem Schüttelfrost und etliche Stunden hernach
von hohem Fieber mit Stechen in der rechten Seite, den Vorboten einer Lungenentzündung
, befallen wurde. Weder Aderlassen und Klistiere noch kühlende
Arzneien brachten Besserung, so daß der Graf selbst bald den Ernst der Krankheit
erkannte. Am Freitag nahm er Abschied von seiner so jungen Gemahlin und den
fünf Kindern und befahl den Räten, wie es im Falle seines Ablebens gehalten
werden sollte. Hierauf wandte sich der Todkranke zu Martin Dick, dem Bischofs-
heimer Diakon, der täglich im Saal und im Krankenzimmer Betstunden hielt,
und sagte:

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