http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1964/0194
In der Zwischenzeit mußte man sich im Jahre 1963 anderen Aufgaben zuwenden
. Schon immer hat der tiefe Graben, der von Westen an den Felsen heranführt
und den Wallgraben unterbricht, allerhand Rätsel aufgegeben. Der gewachsene
Fels tritt dort in zwei großen, annähernd rechtwinklig zueinander
stehenden, ziemlich senkrecht abfallenden Flächen sichtbar zutage. Diese zeigen
nicht mehr ihre ursprüngliche unebene und rauhe Oberfläche, sondern sind bearbeitet
, so daß annähernd ebene Flächen entstanden sind. Warum das? Es wurde
die Vermutung ausgesprochen, daß diese bearbeiteten Flächen dadurch entstanden
seien, daß hier einmal Steine gebrochen worden seien. Daß an dieser Stelle einmal
Steine gebrochen wurden, ist ja durchaus möglich, aber von diesem Steinbruchbetrieb
können diese gleichmäßig bearbeiteten Flächen nicht herrühren. Wahrscheinlicher
ist die Annahme, daß der Fels an seinem Fuß geglättet wurde, um
Angreifern keinen Halt zu geben, wenn sie versuchten, die Steilwand zu erklettern
. Diese Annahme könnte noch mehr an Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn
sich nachweisen ließ, daß diese Abglättung des Felsens sich auch an andern Stellen
vorfindet. Seitliche Schürfungen an den genannten Flächen ließen dies vermuten.
Um aber völlige Klarheit zu gewinnen, mußten an dem Steilhang des Burghügels,
der sich dem Auge allseits als Erdhügel zeigt, Suchgräben gezogen werden. Gleich
der erste Graben auf der Südseite, der an der Stelle angesetzt wurde, wo die
südliche Wehrmauer an die Ecke des westlichen Gebäudes anstößt, hatte folgendes
Ergebnis: die Wehrmauer selbst war an dieser Stelle nicht auf den Felsen gegründet
, sondern stand auf Erdreich, am Hang darunter befand sich unter der
Erde geschlossenes Felsgestein in zerklüfteter natürlicher Form, weiter unten aber,
etwa in der Höhe der genannten sichtbaren Felsflächen, erschien aber wieder die
bearbeitete steile Fläche, die jedoch nicht auf der Höhe der Grabensohle aufhörte,
sondern sich weit, einige Meter unter die Grabensohle, fortsetzte, bis der Fels
sich horizontal absetzte. So groß die Freude über diese überraschende Feststellung
war, größer noch war die Enttäuschung; diese Feststellung warf das ganze Entwicklungsbild
, das wir uns über die Burg zurechtgelegt hatten, über den Haufen,
ein Entwicklungsbild, wie es sich theoretisch aus Büchern über Burgenkunde
gewinnen läßt, etwa aus dem Werk von Carl Schuchhardt „Die Burg im Wandel
der Weltgeschichte" (erschienen 1931), wo die Entstehung der gemauerten Burg
aus der Wallburg klar herausgestellt ist, oder, um noch ein weiteres Werk zu
nennen, aus dem in der Sammlung Göschen erschienenen kleinen „Abriß der
Burgenkunde" von Otto Piper, worin das dritte Kapitel die Überschrift trägt
„Entwicklung aus alten Wallburgen". Der allgemeine Gesichtspunkt, daß die
Wallburg die ältere Burgform, die gemauerte Burg eine aus dieser heraus entwickelte
spätere Burgform darstelle, läßt sich auf den Sonderfall der Willenburg
nicht übertragen. Hier ist Wall und Graben kein Vorläufer der Steinburg, sie sind
eine spätere Anschüttung. Warum, wann und durch wen wurde der Wallgraben
nachträglich um den Fuß des Burgkegels herumgelegt? Ein neues Rätsel, auf das
vorerst keine Antwort gegeben werden kann. Ein plausibler Grund für seine
Anlage kann nicht gefunden werden, die Wehrkraft der Burg wurde durch ihn
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