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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
44. Jahresband.1964
Seite: 189
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minderwertig, das sie nicht auf den Markt bringen konnten. Deshalb mußten die
Förster versuchen, den Harzdieben ihr Handwerk zu legen. Dies gelang ihnen
aber nie ganz, denn zu groß und zu unwegsam waren damals die Waldreviere im
oberen Kinzig- und Wolftal, als daß die Waldhüter den Harzdieben überall
hätten auf die Schliche kommen können.

Hansjakob erinnerte sich aus seiner Knabenzeit auch noch, wie die Kniebiser
mit ihren Handkarren nach „Hasle" kamen und dort ihre selbst hergestellten
Harzerzeugnisse feilboten.

Von der Mitte des vergangenen Jahrhunderts ab kamen die hausierenden Harzer
aber immer seltener in die Dörfer und Städtchen rings um den Kniebisstock.
Ein wirtschaftlicher Umschwung hatte sich angebahnt. Das aus der Übersee eingeführte
billigere Harz und die daraus fabrikmäßig hergestellten Produkte nahmen
den Harzern ihre Absatzgebiete weg und damit Reißmesser und Kratzeisen aus
der Hand. Der kleine Harzhandel starb unter dem Preisdruck der Fabrikware.

Und doch war das Harzen einmal ein richtiges Gewerbe gewesen, kein wirtschaftlich
besonders bedeutendes, aber immerhin! Mancher Waldarbeiter oder Flößer
setzte noch zu seiner Berufsbezeichnung mit einigem Recht das Wort Harzer.

Die Holzbestände der Waldungen im Gebiet der oberen Kinzig waren im ausgehenden
Mittelalter fast unerschöpflich. Sie konnten nur durch die Flößerei auf
den Gebirgsflüssen an die damaligen Brennpunkte des Holzhandels, insbesondere
nach Straßburg gebracht und dort in Geld umgesetzt werden. Aber es gab genug
Waldungen, die so entlegen waren, daß ihr Holz an keinen floßbaren Bach geriest
(geschleift, transportiert) werden konnte. Diese Wälder wären unwirtschaftlicher
Besitz gewesen, hätte man sie nicht durch das Harzen und Köhlern auszubeuten
verstanden. Nicht nur das Holz war ein allezeit begehrter Rohstoff, sondern auch
das Harz und die aus demselben gewonnenen Produkte. Diese waren ehedem begehrter
als heute. So verlegte man sich in den abgelegenen Waldungen auf das
Harzen, da das Harz immer noch leichter aus denselben herauszuschaffen war als
das Holz.

Als Werkzeuge dienten den Harzern das Reißeisen und der Harzlöffel. Ersteres
hatte die Form eines großen Reißmessers mit halbrunder, rechtwinklig zum Stiel
abgebogener Schneide. Mit ihm wurden am Stock der Bäume mehrere bis zu einem
Meter lange senkrechte Einrisse von mehreren Zentimetern Breite durch die Rinde
und den Bast bis in die obersten Holzschichten gezogen. In diesen tiefen Rillen
setzte der Baum sein Harz ab, er versuchte die ihm zugefügten Wunden zu schließen
. An der Luft erstarrte alsbald das Harz zu festen Krusten und Klumpen. Nach
einigen Tagen kam der Harzer wieder und kratzte mit dem starken Harzlöffel
das erhärtete Harz aus den Rillen heraus und sammelte es in Eimern. Mit dem
Reißeisen wurde die Wunde alsdann wieder frisch aufgerissen. So ging der Um-
trieb an einem Stamm so lange vor sich, als dieser Harz spendete. Dann gönnte
man ihm einige Jahre Ruhe, um dann den Betrieb an ihm erneut aufzunehmen.
Dies wiederholte sich so lange, bis endlich die Kraft des Baumes erschöpft war und
er noch in gesundem Zustand gefällt wurde, wenn er vorher durch den steten
Aderlaß nicht zum Dürrständer geworden war. Das eingesammelte Harz wurde

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