http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1964/0212
Sitte und Brauch im Volksleben des Landkreises Bühl
von Friedrich Kober
Als die Kelten um 250 n. Chr. das Gebiet der heutigen Ortenau besetzten,
fanden sie als Bewohner Walchen vor. Diese Walchen, eine keltisch-römische
Rasse, waren sippenweise über den Rhein gekommen und hatten sich über den
Schwarzwald hinweg bis an den Bodensee und auch im Allgäu da und dort niedergelassen
. Man hat sie vielfach als „Welsche" bezeichnet. Mone berichtet in
seiner „Urgeschichte des badischen Landes", daß alle keltischen Völker (also auch
die Walchen als Kelto-Romanen) von jeher „Wälsche" genannt wurden. Wälsch
hieß auf Althochdeutsch Wal ach, daraus wurde Wahl, Wal. Die Walchen erwähnt
auch Aloys Schulte in der „Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 4"
unter den Resten romanischer Bevölkerung, ebenso Berlinger in „Rechtsrheinisches
Alemannien". Die im genannten Raum seßhaft gewordenen Walchen hatten das
Gebiet der Rheinebene urbar gemacht, soweit die vielfachen Verästelungen des
Stroms es zwischen den inselartigen Erhebungen und den sumpfigen Gewässern
zugelassen hatten. Die sorgfältig gepflegten Äcker und Wiesen gefielen den Eindringlingen
, und sie nahmen die schönsten und größten Siedlungen für sich in Anspruch
. Die ihnen an Zahl und Kraft unterlegenen Walchen mußten sich auf
kleinere, weniger fruchtbare Plätze zurückziehen, fanden aber, immer wieder
auch von den Vorbergen des Schwarzwalds zurückgedrängt und im Raum beengt,
ihr Auskommen nicht mehr und wichen in der Zeit zwischen dem dritten und vierten
Jahrhundert erst einzeln, dann in Sippen in die nächstgelegenen Schwarzwaldtäler
aus. Dort gründeten sie in zäher Arbeit und verbissenem Trotz neue, zwar
wieder enge, doch nicht mehr bedrohte Siedlungen, davon eine größere im heutigen
Neusatzer Tal mit der Bezeichnung Walhestege (Steige der Walchen), gleich
in der Nähe eine kleinere, Walhematten (Matte der Walchen = Waldmatt) genannt,
weiter südlich wieder etwas größere, Saspachwalden = Saspach-Walhen (Sasbach-
walden) und Walhe-Ulm (Waldulm). Diese Umsiedlungen können nicht fluchtartig
erfolgt sein, denn an den neuen, erst urbar zu machenden Wohnsitzen hätten sie
ohne Vorräte an Nahrung und Saatgut für mindestens ein Wirtschaftsjahr samt
dem mitgeführten Viehbestand zugrunde gehen müssen.
Die Besiedlung des Neusatzer Tales erfolgte in zeitlichen und räumlichen Abständen
, jede folgende Gruppe mußte höher in das Tal hinaufziehen. Die Abgeschiedenheit
vor den ehemaligen Wohnstätten wurde noch vergrößert, als die
Kinzig und die Murg vor den Moränen jahrelang aufgestauter Geröllmassen auswichen
und als „Kinzig-Murg-Fluß" den Gebirgsrand entlangflossen und etwa
noch bestehende Verbindungen mit der aufgegebenen Heimat unterbanden.
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