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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
44. Jahresband.1964
Seite: 201
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1964/0213
Die Walchensiedler im Neusatzer Tal dürften die unternehmendsten und zähe-
sten ihrer Rasse gewesen sein, denn in der Enge des Tals mit seinem beschränkten
Raum für Wiesen, Äcker und Urbarmachung von Rodungen vermochte einige
Wohlhabenheit nicht aufzukommen; nur äußerste Ausnutzung der Flächen sicherte
dürftige Wirtschaft. Die frühzeitige Anpflanzung von Reben, Schürfungen nach
Eisenerzen (mit nur geringem Erfolg), später zwei große, inzwischen stillgelegte
Steinbrüche sind Beweise für ihre Tüchtigkeit. So ist es zu verstehen, daß diese
Siedler in der Abgeschiedenheit des Tals ihre überkommenen Rechte und deren
Formen mit äußerster, wiederholt an Notwehr grenzender Hartnäckigkeit zu
erhalten suchten, als im Mittelalter die Herren des Wasserschlosses sie in die
Leibeigenschaft mit deren rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen herabzudrücken
begannen. Mehr als einmal standen sie auf gegen diese Verletzung ihrer Rechte
durch Überbeanspruchung der Spannfronen sogar im Renchtal, also weit über die
Markungsgrenzen der nunmehrigen Gemeinde hinaus, so daß die Bauern mit
ihren dürftigen Gespannen viele Tage von dringender Feldarbeit abgehalten
wurden. Die den Fronherren obliegende Beköstigung war gegenüber dem Schaden
kein Ausgleich. An den von ihren Vorvätern geübten Sitten und Bräuchen hielten
sie eisern fest. So wird berichtet, daß die Bewohner des im entlegenen Hochtal
des Zinkens Schönbrunnen bis ins achte christliche Jahrhundert hinein ihren
Göttern angehangen haben und sich dann späterhin auch ebenso hartnäckig der
Reformation widersetzt haben.

Auf die in der Rheinebene verbliebenen Alemannen und Walchen stieß ein Zug
niederländisch-flämischer Auswanderer, die im Streben nach neuer Landnahme
begriffen waren. Mone stellte 1862 fest, daß im 6. Jahrhundert mitteldeutsche
Franken sich in der Umgegend des heutigen Bühl (keltisch Puhele) niederließen
und diesem Siedlungsgebiet die Bezeichnung „Mortung-Gau" gaben. Eine Deutung
dafür vermochte er freilich nicht zu geben. 1929 vertrat Ernst Batzer die Meinung
, daß die „Mortenau" „vordeutsch" mit bis jetzt unbekannter Bedeutung war.
1949 befaßte sich Albert Baur mit der Schreibweise seines Heimatortes Weitenung,
ohne auf den Ursprung dieses Ortsnamens einzugehen. Vor ihm hatte Langenbeck
in einem Vortrag über dieses Thema gesprochen. 1953 wies Michael Walter nach,
daß das Wort Tung =: Donk nach seinem Sachsinn etwa „kleine Düne", eine
meist kiesig-sandige Erhebung über eine wasserreiche Niederung bedeutete. Diese
Feststellung befeuerte Rolf Gustav Haeblers Forschergeist. Er durchsuchte die
Wirtschaftsgeschichte der Niederlande und fand darin den Kern der Frage: Ums
Jahr 800 herum wurden 2500 Wohnstätten im niederländisch-flämischen Raum
durch eine Flutkatastrophe zerstört. Die obdachlos gewordenen Familien hatten
auf den oben benannten Donken gewohnt und wanderten, wahrscheinlich auf
Veranlassung und mit Unterstützung der aus machtpolitischen Gründen handelnden
niederdeutsch-fränkischen Herrschaften, nach dem oberrheinischen Grenzgebiet
ab.

Die dort ansässigen, mit den wenigen zurückgebliebenen Walchen einigermaßen
blutsmäßig vermischten Alemannen machten den Niederländern keine besonderen
Schwierigkeiten, als diese sich auf den aus den Wassern aufragenden Inseln — den

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