http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1964/0230
Eine Entscheidung lag im Jahre 1511 noch offen: das folgende Jahr brachte sie.
Sie war nun politisch um so dringlicher geworden, als sich in jenen Jahren schon
die Notwendigkeit zeigte, die Frage der badischen Erbfolge — gerade im Hinblick
auf ein mögliches und bald auch wirkliches Ausscheiden des kranken Markgrafen
aus der Regierungstätigkeit — rechtzeitig zu regeln. So kam die geschichtlich
bedeutsame „Disposition" des Jahres 1515 zustande, welche schließlich die staatsrechtliche
Grundlage für die auf Jahrhunderte hinaus bestehende Spaltung der
Markgrafschaft schuf: jene Trennung des bis dahin im wesentlichen einheitlichen
Herrschaftsgebietes in die untere und in die obere Markgrafschaft, in die ernesti-
nische und in die bernhardinische Linie der Zähringer.
In diesem so wesentlichen politischen Zusammenhang gewinnt die Erkrankung
des Markgrafen auch nach der Richtung Bedeutung, daß man sich fragen muß,
welchem Arzt die Behandlung des Markgrafen anvertraut wurde. Wenn ein so
vorsichtiger Hofhistoriograph wie der markgräflich Baden-Durlachische wirkliche
Kirchenrat und Rektor des Gymnasiums Illustre zu Carlsruhe, Johann Christian
Sachs, in seiner umfangreichen, ausführlichen „Einleitung in die Geschichte der
Marggravschaft und des marggräflich altfürstlichen Hauses Baden" die Worte
schreibt: „M. Christophs Leibes Blödigkeit nahm so zu, daß er die Regierung
seiner Lande seinen dreyen Prinzen wirklich übertrug"; und weiter sagt: „Endlich
nahmen die Gemüthskräfte des Marggraven dergestalt ab, daß seine Prinzen
M. Philipp und Ernst sich genöthiget sahen, denselben A. 1518 mit Kaiserlicher
Genehmigung in dem Alten Schloß mit der nothwendigen Pflege und Aufsicht zu
versorgen. In diesen Umständen blieb er bis an sein Lebensende", dann muß man
doch wohl annehmen, daß unter diesen Umständen und in diesen Jahren kein
Amt am Hofe wichtiger war als das des Leibarztes.
Dies gilt um so mehr, als man noch bis 1518 mit einer Heilung gerechnet zu
haben scheint, denn erst in diesem Jahr erfolgte die praktische Entthronung
Christophs. Auch daß er sich dann in das obere Schloß, längst als Regierungssitz
aufgegeben, in die Burg Hohenbaden, in eine entlegene Isolierung zurückziehen
mußte, läßt sogar die Vermutung aufkommen, es könnte eine der „Widmann'schen
Krankheiten" gewesen sein.
Aus allen diesen Gründen wäre sehr wohl zu verstehen, daß Christoph und
seine Räte, die ihn nach Stuttgart begleitet hatten, bei jener Gelegenheit und bei
der Absage der Freiburger Universität versuchten, den alten Johann Widmann
wieder nach Baden-Baden zu verpflichten, um so mehr, als er ja am markgräflichen
Hof kein Unbekannter war; und schon 1497 hatte man, wenn auch vergeblich,
versucht, ihn wieder an den badischen Hof zu ziehen.
Es gab in jenen Jahren zudem noch ein weiteres Moment, das für eine Übersiedlung
nach Baden-Baden sprach: die Verheiratung seiner Tochter mit dem
markgräflichen Kanzler J. Kirser. Dieser hatte seinen Wohnsitz selbstverständlich
in Baden am Sitz der markgräflichen Regierung und der badischen Zentralverwaltung
. Schließlich mag man noch einen Hinweis darin sehen, daß der in der
späteren badischen Religionspolitik eine bedeutende Rolle spielende Pfarrer
Irenicus — Franz Friedlieb von Ettlingen — einer der Berater des Markgrafen
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