http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1964/0234
29. April 1527 hinsiechte, zu retten war er nicht mehr. Die Ärzte hatten ihn
zweifellos längst aufgegeben. Auch der Freiburger Widmann hatte ihm nicht
helfen können, er war schon 1520 nach Freiburg zurückgekehrt, offenbar zu einem
Zeitpunkt, als er erkennen mußte, daß jegliche ärztliche Kunst vergeblich war
und der Fürst nur noch der Pflege bedurfte.
All das ist in der bisherigen Widmann-Forschung nicht beachtet worden, und so
ist es zu Vermutungen gekommen, die mit den historischen Daten und Ereignissen
der Umwelt sich nicht vereinen lassen. Man darf deshalb mit weit größerer
Bestimmtheit annehmen, daß die Übersiedlung des württembergischen Leibarztes
und Tübinger Professors eine Art politischer Flucht aus Schwaben war, genau wie
bei einem seiner ältesten und besten Freunde. Denn in der Nähe von Pforzheim,
in Bad Liebenzell, verbrachte sein Freund aus den glanzvollen Tagen Eberhards
im Barte, Johannes Reuchlin, ebenfalls die letzten Jahre seines Lebens. Er hatte
1519 wegen der Kämpfe Ulrichs mit dem Schwäbischen Bund das unruhige
Württemberg verlassen. Die gleichen Gründe mögen auch für die Übersiedlung
Widmanns ins Badische maßgebend gewesen sein. Reuchlin war dann für kurze
Zeit nach Ingolstadt an die Universität gegangen, verließ die Stadt aber 1521
wegen der Pest und kehrte in die Nähe seiner Heimatstadt Pforzheim zurück:
der Ring seines Lebens schloß sich.
So waren in den letzten Jahren ihres Daseins die zwei berühmten Tübinger
Räte, der Leibjurist und der Leibarzt des ersten württembergischen Herzogs,
wieder beieinander, und man darf auch vermuten, daß Widmann zuweilen nach
Liebenzell fuhr, um dem schwerkranken Freund mit seinem ärztlichen Rat beizustehen
. Allerdings heilen konnte er ihn nicht mehr; am 30. Juni 1522 starb der
neben Erasmus bedeutendste Gelehrte des deutschen Humanismus.
Auch das Leben Widmanns ging nun allmählich dem Ende entgegen. Und
manchmal mag er, vom Krankenbett des Freundes heimkehrend, sich darüber
Gedanken gemacht haben. Er hat an den Tod, an sein Seelenheil in jener Zeit
gedacht. Denn anderthalb Monate vor dem Tod Reuchlins übergaben „Johann
Widmann genannt Möchinger, der arzny doctor, und Mechtild Belczin sin eelich
husfrow, Yezo zu Pforczheim wonendt" dem Propst der Stiftskirche in Pforzheim
190 Gulden zur Stiftung eines Seelenamtes „für ewige Zeiten". Der Urkunde
hängen die Siegel Johann Widmanns und seines Sohnes Ambrosius an.
Hierdurch erhalten wir endlich wieder sichere Kunde, um so sicherer, als von
dieser Stiftung noch eine steinerne Tafel in der Pforzheimer Stiftskirche kündet.
Sie ist verziert mit Putten und ornamentalen, hocherhabenen Randverzierungen
ohne besondere künstlerische Bedeutung. Am Sockel trägt die Tafel links das
Wappen Widmanns, rechts das Wappen seiner zweiten Frau. Die Kirche beherbergt
übrigens auch den Grabstein der Tochter Cordula, der „edel und dugentsamen
Fraw Cordula Grempin, geborenen Widmennin", aus dem Jahr 1551. Die Tafel
selbst gibt den Text der Stiftung: „Ano dni 1522 hat der wirdig, hochgelert her
Johann Widman, genant Möchinger, der Artzney doctor, Ain ampt von dem Hoch-
wirdigen Sacrament des Fronlichnams unsers hern Jhesu cristi allen Donerstag In
ewigkeit zu Singen gestifft uff dem Alltar der heilligen drey kunig "
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