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hatte sich die Stadt um die Verlegung des Instituts bemüht. Aber die Ordensfrauen
sollten noch eine weitere Aufgabe übernehmen. Auch die Offenburger
Bürger wollten ihren Töchtern eine gute Schulbildung angedeihen lassen und
wünschten, daß auch sie den Unterricht im Pensionat besuchen dürften. Die Lehrfrauen
fühlten sich überfordert und fürchteten, daß durch die Übernahme einer
weiteren Aufgabe die Internatszöglinge benachteiligt würden. Das Kinzigkreisdirektorium
sprach von „Renitenz" der Lehrfrauen, die auf die strenge Klausur
zurückzuführen sei. Gemeinderat und Kreisdirektorium forderten schon im Juni
1823 mit Billigung des Innenministeriums die Einrichtung einer „höheren Klasse"
für die Töchter der Stadt. Man nannte sie später Fortbildungsschule oder Höhere
Töchterschule. Diese sollte völlig getrennt sein vom Pensionat bzw. Lehrinstitut
und an die Volksschule angegliedert werden. In ihr sollten dieselben Fächer
gelehrt werden wie im Institut. Französisch sollte Hauptfach sein. Schulraum und
Requisiten wurden von der Stadt gestellt. Aber es dauerte 20 Jahre, bis dieser
Wunsch erfüllt wurde. Immer wieder wurden die Klosterfrauen gebeten und
aufgefordert, mit diesem Unterricht zu beginnen. Sie versicherten, diesen zusätzlichen
Unterricht nicht übernehmen zu können. Die Stadt aber wies wiederholt
auf die großen Opfer hin, die sie dem Kloster gebracht habe, und bezichtigte die
Institutsfrauen des Undanks. Sie sowohl wie das Kreisdirektorium waren der
Auffassung, daß die 17 Lehrfrauen fähig sein müßten, sich auch dieser neuen
Aufgabe zu widmen. In ihrer Antwort wies die Institutsvorsteherin auf das
geringe Stiftungskapital hin, und empört über die den Lehrfrauen zugefügte
Kränkung schrieb sie: „Weh tut uns der Vorwurf des Undanks. Man hat uns
gerufen. Wir haben das stille Plätzchen Ottersweier ungern verlassen." Schließlich
gab sie dem Druck, den Stadtpfarrer Mersy ausübte, nach. Er schrieb der
Superiorin: „Vouz avez raison, Madame, mais moi aussi", und gab ihr zu verstehen
, daß sich die Lehrfrauen kaum mehr der Anforderung entziehen könnten.
Nun stellte die Superiorin eine Lehrerin zur Verfügung. Am 18. Mai 1843 wurde
die Fortbildungsschule, die Vorläuferin der späteren Höheren Mädchenschule
und heutigen Okengymnasiums, vom katholischen Oberkirchenrat genehmigt.
Stadtpfarrer Mersy wurde zum Schulvisitator bestellt.
Der mehrschichtige Unterricht der Lehrfrauen erforderte eine Vermehrung der
Schulräume. Schon 1830 hatte das Kloster auf das Komödienhaus ein zweites
Stockwerk gesetzt. Die Frage der Baupflicht hatte neue Spannungen verursacht.
Das großherzogliche Oberhofgericht in Mannheim hatte dem Kloster empfohlen,
die Kosten zu tragen. Da die Zahl der Schülerinnen immer weiter stieg, entschloß
man sich zum Abbruch des Hauses und zu einem Neubau. Die Stadt erklärte
sich bereit, einen Baukostenzuschuß von 4500 Gulden zu leisten. Zwei Jahre
später (1840) bewilligte sie dem Kloster auch den Ankauf von weiterem Gelände
zwischen dem Konventsgebäude und der Stadtmauer. Der Neubau wurde
1841/42 erstellt.
Folgende Zahlen beweisen, daß die an das Kloster gestellten Forderungen sich
immer mehr steigerten. 1823 unterrichteten fünf Lehrfrauen an der städtischen
Volksschule 130 Mädchen in drei Klassen. 1843 wurden 290 Schülerinnen von
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