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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
46. Jahresband.1966
Seite: 126
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1966/0128
einer bäuerlichen Mark an den Bischof gekommen8) und auf Grund seiner älteren
grundherrschaftlichen Rechte sich sehr oft in Streit mit seinem Grund- und Landesherrn
befunden hat, fehlen derartige Spannungen in der bischöflichen Stadt.
Soweit etwas Ähnliches wie beispielsweise bei den Religionskämpfen des 16. Jahrhunderts
vorfiel, richtete sich die Spitze immer gegen die augenblicklichen Pfandinhaber
der Stadt, welche die alten bischöflichen Ordnungen zu ändern versuchten.

Eine endgültige Änderung kam erst mit dem Übergang des rechtsrheinischen
bischöflichen Territoriums an Baden 1802/03. Das Renchtal hatte dabei das Glück,
einem fortschrittlichen Fürsten, dem Markgrafen Karl Friedrich, zugesprochen zu
werden. Seine Konstitutionsedikte, mit denen er seine neuerworbenen Lande in
sein Gebiet eingliederte, zeugen von Aufgeschlossenheit und politischem Geschick.
Man mag letzteres auf das Konto seiner Mitarbeiter setzen, aber er regierte immer
noch als absolutistischer Herrscher, und ohne seine Einwilligung wären die grundlegenden
Veränderungen nicht möglich gewesen.

Oberkirch nutzte die neuen Möglichkeiten sofort: als erstes schuf sich die Stadt
— und diesmal die Bürger in eigener Initiative! — eine Flur als Vermögensgrundlage
durch Eingemeindung von Loh und Oberdorf9). Die meisten Ober-
kircher Bürger waren in diesen Plätzen Grundbesitzer. Außerdem stand das
einzige industrielle Unternehmen nach dem Eingang einer Eisenschmelze,0) (zu
Oberdorf gehörend), die 1615 von dem Straßburger Türckheim gegründete Papiermühle
, im Loh. Das in Gant geratene Unternehmen kam 1809 in die Hände
der Ettlinger Familie Koehler, die aus dem Handwerksbetrieb in stetigem und
schnellem Anstieg ein modernes Industriewerk schuf, das bis zum heutigen Tag
den Namen der Stadt über Kontinente bekannt gemacht hat. Statt der alten
Eisenschmelze entwickelten mehrere Oberkircher Schmiede in der ersten Jahrhunderthälfte
Eisengießereien und Maschinenfabriken, die der Bedeutung der
Papierfabrik nicht nachstehen; den Hanfbau verwertete eine bekannte große
Seilerei, und ein Textilhaus widmete sich der Erschließung des Fernhandels seit
1838. Bezeichnenderweise ist es aus einer Samenhandlung hervorgegangen. In der
gleichen Zeit begonnene Versuche mit keramischen Unternehmen führten zu
keinem Dauererfolg.

Um 1850 fielen auch die Mauern, die die Stadt über 500 Jahre eingeengt hatten.
Eine Gruppe Oberkircher Unternehmer gründete eine Eisenbahngesellschaft und
baute eine Bahn zwischen Appenweier und Oppenau, die 1876 eröffnet werden
konnte und erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts endgültig in den Besitz des
Staates überging. Damit war der Anschluß an die Welt „draußen" geschafft. Der
Erfolg zeigte sich am sinnfälligsten im Wachstum der Stadt: von 1734 Ein-

8) Das Gebiet Oppenaus hieß bezeichnenderweise immer gesondert „Das Oppenauer Tal". Seine Geschichte
hat Börsig 1952 veröffentlicht. (Börsig: Geschichte des Oppenauer Tales. Verlag der Stadt Oppenau.) Eine
Parallele dazu für Oberkirch gibt es nicht. Der Unterschied ist grundsätzlich.

») Die Zeit ist nicht mehr genau zu rekonstruieren. Loh muß um 1820 eingemeindet worden sein, Oberdorf
konnte 1827 seine alte ehemalige Pfarrkirche abreißen, da es eingepfarrt wurde. Die Friedhofkapelle
ist deren stehengebliebener Chor.

10) Eisenschmelze und Hammerwerk, 1604 durch den württembergischen Pfandinhaber gegründet, sollte
Holzreichtum der Gegend ausnutzen. Nach ungeheuren Waldverwüstungen 1792 aufgehoben.

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