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dem das Kloster so lange religiöser, kultureller und wirtschaftlicher Mittelpunkt
seines großen Territoriums gewesen ist und in dieser Hinsicht Unerhörtes geleistet
hat, eine elfhundertjährige Tragödie gewesen, nur selten unterbrochen von erfreulichen
Zeiten. Was sich da alles zugetragen hat, wird in meiner „Geschichte der
Reichsabtei Schwarzach" ausführlich zu lesen sein. In meinem vorliegenden Aufsatz
jedoch beschränke ich mich darauf, eine ihrer markantesten Veränderungen zu
schildern, nämlich die Einführung der kluniazensischen Reform durch zwei Äbte
aus Hirsau.
Eine Geschichte der Abtei Hirsau zu schreiben, ist eine Arbeit für sich. Ich werde
sie im folgenden nur soweit heranziehen, als es im Zusammenhang mit der Abtei
Schwarzach notwendig ist.
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Die Zustände in der Abtei Schwarzach vor der kluniazensischen Reform
Daß die kluniazensische Reform gerade von zwei Hirsauer Äbten in Schwarzach
durchgeführt wurde, hat einen doppelten Grund: erstens befand sich die Schwarz-
acher Abtei damals in einem beklagenswerten Zustand, aus dem sie sich nicht mit
eigener Kraft hätte erheben können, sondern Hirsau ihm zu Hilfe kommen mußte.
Zweitens war die kluniazensische Reform bereits in Hirsau eingeführt, so daß
Äbte, die aus Hirsau nach Schwarzach kamen, sie selbstverständlich auch hier einführten
. Wurde doch damals diese Reform in fast allen Abteien eingeführt.
Der erste jener beiden Hirsauer Äbte war Conradus. Infolge der zahlreichen
Irrtümer, die in der Abteigeschichte von Schwarzach und bezüglich der Reihenfolge
seiner Äbte bestehen, weiß man heute allerdings nicht, ob es Abt Conradus
I. war oder ob er Conradus II. genannt werden muß, indem es einen Abt
Conradus I. womöglich gar nicht gegeben hat. Jedenfalls stehen bei jenem Conradus
, den Hirsau als Abt nach Schwarzach gesandt hat, im Chronicon von Gallus
Wagner, des berühmtesten Abtes von Schwarzach (regierte 1660—1691), die
Jahreszahlen 1144 für Hirsau und 1154 für seinen Amtsantritt als Abt von
Schwarzach. Bei dieser Gelegenheit brachte er den Hirsauer Mönch Hildebertus
mit, welcher später (1176) sein Nachfolger in Schwarzach wurde. Was man in Büchern
und Broschüren zu lesen bekommt, daß das Kloster Schwarzach damals am
Vallator gestanden habe und 1154 von jenem Abt Conradus an seinen heutigen
dritten Standort, nämlich nach Schwarzach, verlegt worden sei, ist unwahrscheinlich,
zum mindesten unbewiesen. Denn die wissenschaftlichen Grabungen, die man in den
Jahren 1964 und 1965 in Schwarzach selbst in der noch bestehenden Klosterkirche
vorgenommen hat, haben u. a. den Beweis erbracht, daß an dieser Stelle spätestens
seit dem 12. Jahrhundert eine Klosterkirche gestanden hat. Die villa Vallator dagegen
(an der Kreuzung der beiden Römerstraßen Basel - Frankfurt und Drusenheim
- Greffern - Steinbach) war höchstwahrscheinlich ein Marktflecken, der 994 von
Kaiser Otto III. Marktrecht erhalten hat. Das sogenannte „Sankt-Georgsmünster",
das oft als die Kirche der angeblichen „zweiten Klostergründung Vallator" hinge-
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