http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1966/0220
Lustig flatterten die bunten Nationalfahnen der verschiedenen Logen um sein
geistvolles Haupt. Sein Fuß ruht auf massivem Sockel, auf dessen Vorderseite
die Worte eingegraben sind: Dem Erbauer des Straßburger Münsters, Erwin, geboren
zu Steinbach, gestorben zu Straßburg MCCCXVIII; auf der Rückseite:
dem Vaterlande des unsterblichen Baumeisters, von Andreas Friedrich; rechts:
Enthüllt am 29. August 1844, und links: Errichtet unter Großherzog Leopolds
väterlicher Regierung.
Am Fuße des Monuments angekommen, stellten sich die Brüder Maurer in einem
geschlossenen Halbkreis auf, hinter ihnen die zahlreichen Zuschauer. Wiederholte
Salven und ein herrlicher Choralgesang eröffneten die Huldigungsfeier. Hierauf
bestiegen, unter abwechselnden, der Ceremonie angemessenen Gesang- und Musikstücken
, allmälig sechs Redner die künstlich errichtete Rednerbühne. Welch unbeschreiblicher
Anblick! Schweigsam, inbrünstig standen sie da, die Maurer und
die Laien hingerissen durch die feurigen Worte der Söhne Galliens, durch die ergreifenden
Mahnungen der Kinder Germaniens. Kein Laut, kein Athemzug störte
die andächtige Stille; Alles fühlte sich erfaßt von unsäglicher Ahnung.
Nach beendigten Festreden drängte sich der Kreis der Brüder enger um die
Säule und weihte das Denkmal auf Freimaurerweise. Ein Lobgesang zu Ehren
des großen Weltenbaumeisters schloß die schöne Feier. Und nun ward der Rückzug
nach dem Städtchen angetreten.
Es war 3 Uhr, als man sich zum frohen Bankett vereinigte. An den Wänden
des Saales prangten die Banner der Logen mit ihren Wahlsprüchen. In der Mitte
stand, im verkleinerten Maßstabe, die Erwinssäule, verziert mit Blumen und
Fahnen. In bunten Gruppen saßen die Brüder, 150 an der Zahl, Greise, Männer,
Jünglinge, fröhlich beisammen. Ein Band der Liebe und Eintracht umschlang alle
Stände, alle Religionen, alle Länder. Ein Bruder kredenzte dem andern den perlenden
Rheinwein, den brausenden Champagner. Dazwischen erklangen hinreißende
Nationalmelodien, und Alle waren Einer. Die badischen Beamten, Herr Geheime
Rath von Bekk und Herr Oberamtmann von Haefelin, wohnten dem Mahle mit
sichtlichem Vergnügen bei. Auch die Minister Nebenius und von Dusch waren
geladen worden, allein Ersterer ließ sich Krankheits halber, Letzterer wegen
Dranges einer schleunigen Abreise höflich entschuldigen.
Gegen Ende des Banketts erhob sich der Meister der Straßburger Loge und
brachte allen seinen Brüdern einen herzlichen Toast. Der Meister des Stuttgarter
Stuhles trank auf die Einheit aller Logen, auf die Eintracht Deutschlands und
Frankreichs. Hierauf wurde ein Lebehoch dem Fürsten dargebracht, welcher,
sich über Vorurtheile hinwegsetzend, kein Hinderniß in den Weg legte, sich in
seinem Lande offen und am hellen Tage zu zeigen. Alsdann zollte die Versammlung
dem großmüthigen Bildner Erwins ihren Dank und ihre Bewunderung. Aber
Die Feier der Freimaurer beim Erwinsdenkmal 1845. Das Denkmal war der Gemeinde Steinbach vom Bildhauer
A. Friedrich geschenkt worden. Heute ist das Denkmal schön gehegt. Vom Denkmalsplatz herrliche
Rundsicht, bei guter Sicht bis Straßburg. Interessant die damalige Kleidermode.
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