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1819 wurde Pfarrer Göhringer versetzt, Hilfspriester Liehle wurde als Pfarrverweser
vorübergehend dritter Pfarrherr.
Vierter in der Reihe wurde Pfarrer Gilg. Er war als ehemaliger Flüchtling
(Emigrant) aus dem Elsaß nach Herrenwies angewiesen worden. Dem bereits
fünfzigjährigen, schon leidenden Mann bekam die Höhenluft nicht, so wechselte
er in das vor rauhen Winden geschützte Neusatzer Tal. Die Stuben des Pfarrhauses
waren immer noch Notwohnung, sie entbehrten nach wie vor jeglicher,
auch anspruchlosester Behaglichkeit, gar für einen kranken Mann.
Durch eine Reihe von Jahren quälte sich Gilg durch den beschwerlichen Pfarrdienst
und die Erteilung des Religionsunterrichts nicht nur an der Neusatzer
Schule, sondern auch an der eine Wegstunde entfernten, hochgelegenen Schule
zu Neusatzeck. Eine Kirchenvisitation 1855 stellte die Notwendigkeit fest, dem
zweiundsiebzigjährigen, „durch Alter an Körper und Geist geschwächten" Pfarrer
einen Hilfspriester zu geben, wenn nicht die Gemeinde ganz verwahrlosen und
die Jugend, des wohltätigen Unterrichts in der Religion entbehrend, der Verwilderung
preisgegeben werden soll. Dies war um so nötiger, als sich die Pfarrgemeinde
aus zwei politischen Gemeinden, Neusatz und Waldmatt, zusammensetzte
und beinahe gänzlich aus einzelnen Zinken und zum Teil am höchsten im
Gebirge liegenden einzelnen Höfen (so das Hochtal Schönbrunnen) bestand, so
daß nur der rührigste Geistliche mit der größten Anstrengung ihr vorstehen
konnte.
Als Pfarrvikar wurde der aus Bühl stammende Apothekerssohn Alban Stolz
angewiesen. Er war der fünfte Herr im Pfarrhaus. Was er dienstlich alles erlebt
hat, ist in seinem Buch „Nachtgebet meines Lebens" verzeichnet. — Trotz aufopferndster
Arbeit fand Stolz noch Zeit, 1840 seine Sonntagspredigten zu seinem
Volkskalender „Für Zeit und Ewigkeit" auszubauen; dieser begründete den Weltruf
seines Verfassers als Volksschriftsteller.
Die Neusatzer sind heute noch stolz auf ihren „Vikar", konnten sich aber
gleichwohl 1913 nicht entschließen, nach dem Vorschlag ihres Seelsorgers der neu
erbauten Pfarrkirche die Bezeichnung „Alban Stolz" zu geben.
Nach sechsjährigem segensreichen Wirken in Neusatz erhielt Stolz in Pfarrverweser
Schott einen Nachfolger. Der achtzigjährige Gilg war nach einer Äußerung
der kirchlichen Oberbehörde „zu keiner Leistung mehr fähig". Schott wurde
somit der sechste Pfarrherr in Neusatz. Nach ihm versah Pfarrverweser Machleid
als siebter Herr im Pfarrhaus den Dienst.
1846 zog Pfarrer Bäder als achter Pfarrher auf. Er setzte die von Alban Stolz
verfolgte Linie fort unter Vertiefung von dessen Bemühungen, zunächst auf der
Kanzel. Er war ein ausgezeichneter Prediger. Besonders opferwillig war er im
Beichtstuhl, er saß an den Samstagen und an den Tagen vor Feiertagen bis tief
in der Nacht im Beichtstuhl, auch die Winterkälte hielt ihn davon nicht ab. Sein
Ruf als Beichtiger drang in weitesten Umkreis, so daß sehr viele Auswärtige zu
ihm in die Beichte gingen. Des weiteren richtete er Bruderschaften ein und hielt
Missionen ab. Sein Mühen hatte nachhaltigsten Erfolg:
Als in Neusatzeck sich einige fromme Jungfrauen gesetzten Alters zu gemein-
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