http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1966/0256
Speyer als Teilmitbesitzer in Erscheinung, das als Lehensherr über die Hälfte der
Stadt und des Kirchspiels Gernsbach sein erledigtes Lehen selbst übernahm. Ihr
Vogt vertrat den speyerischen Rechtsanteil auch in der Schifferschaft, die ja ihren
Sitz in Gernsbach hatte. Da aber Baden-Baden diese neue Beschränkung seiner
Landesherrlichkeit nicht gern sah, tat sich hier eine neue Quelle von Differenzen
auf, welche die MSch zuweilen für sich auszunützen verstand.
Der württembergische Vorstoß in die Schifferdomäne
In dieser Zeit heilloser Wirrnisse gelang sogar dem Herzog Karl Friedrich von
Württemberg ein so ersehnter Vorstoß in Richtung zum Rhein. Er konnte 1686
vom Grafen von Gronsfeld etliche 30 000 Bortschnitte teils käuflich, teils durch
Tausch an sich ziehen. Damit drohte ein grundsätzlicher Einbruch übermächtiger,
„ausländischer" Konkurrenz in den bisher unangetasteten Bereich der Schifferschaft
, wobei nämlich noch weiter zu bedenken war, daß die Schiffer bisher das
Alleinkaufsrecht für das württembergische Holz im hintersten (württembergischen)
Murgtal hatten. Wenn nun der Herzog Schiffer wurde, verflößte er selbst oder
konnte verkaufen, wem er wollte, natürlich vor allem seinen württembergischen
Untertanen.
Da indes Schifferrechte nur ausüben durfte, wer in der Grafschaft Eberstein
ansässig war, wollte die Schifferschaft nicht dulden, daß der Herzog sich seiner
neuerworbenen Rechte bediente. Als bemerkenswerter Erfolg der MSch erschien
später der Herzog nicht in der Liste der berechtigten Schiffer, so daß die existenzbedrohende
Gefahr fremder Unterwanderung vorerst nochmal abgewendet war.
Wandlungen im Verkaufssortiment
In dieser Epoche war der Holzhandel in einer gewissen Umänderung begriffen.
Hauptstück des Rheinhandels war bisher die Bortware, d. h. das geschnittene
oder noch zu schneidende Kurzstammholz. Die Langholzflöße mußten die Borten
als Oberlast an die Märkte tragen. Allmählich wurde indessen mehr Langholz
begehrt; zunächst das wertvolle Eichenholz, das bisher wenig im verkäuflichen
Holzsortiment war. Rußland und Norwegen konnten den Holländern nicht mehr
genügend liefern. Daher forschten diese im Einzugsgebiet des Rheins nach neuen
Lieferanten. Sie benötigten es für die Pfahlröste beim Hausbau und für den
Schiffbau. Markgraf Wilhelm schloß 1670 den ersten Vertrag mit einem holländischen
Handelshaus über die Ausfuhr von Eichen. Starke Eichen gab es hauptsächlich
noch in den Wäldern der Schifferschaft, und die Nachfrage nach Murg-
täler Starkholz war von Anfang an groß. Doch hatte der Eichenverkauf enge
Grenzen, denn die wichtige Schweinemast durch die Eicheln (ein Herrschaftsrecht!)
durfte nicht beeinträchtigt werden. Die Holländer mußten also notgedrungen bald
auf das zähe Tannenlangholz übergehen, bei dem sie dann die Veredlungen
selbst vornahmen. Für die Murgschiffer blieb trotzdem der einträglichere Schnittholzhandel
für die rheinischen Stadtmärkte das Hauptgeschäft, denn eigentlich
war ihnen ausdrücklicherweise nur der Borthandel zugestanden.
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