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den Läden rüttelt, als wäre er ein ungattiger Bursch in den schönsten Flegeljahren,
oder wenn der Schnee über Dorf und Feld sein weißes Leichentuch ausgebreitet hat,
und der Herr Spatz und die Frau Finkin vors Fenster kommen und anklopfen,
ob es nicht auch ein Bröselein für sie gebe zur Mahlzeit, und das Feuer lustig
brummelt im alten Kachelofen, da ist es einem so wohlig im warmen Stüblein auf
der Ofenbank oder im ledergepolsterten Großvaterstuhl, und da hört man so
gerne erzählen, wie es war und ausgesehen hat in alten Zeiten, dazumal, als die
Franzosen und Russen im Dorf lagen, oder anno 1828, wo man die große Ohm
Wein zu 48 bis 54 Kreuzer gekauft hat und dergleichen mehr.
Ich möchte nun den Lesern des ,Boten' auch etwas Unterhaltendes erzählen
aus alten Zeiten, nämlich vom uralten Steinbacher Kirchspielwald, vom Ehletfeld,
und wie die Gemeinden Steinbach, Sinzheim (mit seinen Stabsgemeinden), Neuweier
, Varnhalt (oder richtiger Farrnhalde geschrieben), Weitenung, Vimbuch und
Bühl — Altschweier — Bühlertal — Unterbüllot zu ihren dermaligen Almendgütern
und Waldungen gekommen sind."
Oder wenn er über „Kulturgeschichtliches aus einer alten Rechnung vom Jahre
1618" schreibt: „Item am 17. Mai ist der jungen Junkherrn Präceptor (der Hauslehrer
der vier Söhne des Herrn von Fleckenstein) allhier zu Bühl über Nacht
blieben und von dannen nacher Freistett geritten, und ist ihnen auf sein Fordern
geben worden 3 Maß und für das Pferd geben einen Sester Haber." Diese 3 Maß
aus dem kühlen Keller des Maierhof es waren dem Herrn Schulmeister als „Schlaftrunk
" wohl zu gönnen, er hat damit den vielen Ärger, den ihm seine 4 Junkherrn
manchmal mochten verursacht haben, „hinabschwenken" können, 's ist freilich ein
bißchen viel, 3 Maß oder 18 Viertele zum Nachtimbiß und zur Morgensuppen.
Vielleicht wird unser Präceptor gedacht haben: Ich komm doch selten in die
Bühler Gegend, will einmal den Bühlertäler gründlich versuchen! —
Man sieht hieraus, was in einer alten Rechnung angedeutet werden kann, auch
alte Papiere in den Gemeinden- und Pfarregistraturen (oft befinden sie sich auch
auf den Speichern der Rat- und Pfarrhäuser) sind nicht zu verachten, sondern
wohl aufzubewahren. Wenn man Zeit und Geduld dazu hat, wird man wertvolle
Notiz zur Orts- und Pfarrgeschichte darin finden; je älter sie sind, desto mehr
muß man sie konservieren. —
Oberstes Anliegen Reinfrieds war die Darstellung der geschichtlichen Wahrheit
in einer gemeinverständlichen Sprache ohne Überschwang oder rhetorischen
Schmuck. Darum wirkt sein Stil manchmal etwas nüchtern und trocken, aber durch
die Quellenbelege klar wie die nackten Tatsachen selbst. Als im Jahre 1913 ein
Karlsruher Feuilletonist über die Windeck und die Straßburger Fehde ein phantasievolles
„Geschichtsei" in der Bühler Tageszeitung erscheinen ließ, kritisierte
Reinfried die gröbsten historischen Mißgriffe und mahnte seine Landsleute: „Das
nächste Heft der vom Mittelbadischen Historischen Verein herausgegebenen Zeitschrift
Ortenau, das im Mai erscheinen wird, wird eine auf urkundlicher Grundlage
beruhende kurze Geschichte der Windecker und ihre Beziehungen zur Stadt
Bühl enthalten, worauf jetzt schon hingewiesen sei. Der Aufsatz wird auch
mehrere Illustrationen aus Altbühl enthalten und dürfte dadurch manchem
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