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Benfeld im Elsaß, einstellte. Ihm wurden der Vorsitz des Kaufmanns- und Gewerbegerichts
und des Mieteinigungsamts und die Stelle des Gemeinderichters und
Schiedsmanns übertragen. Nachdem Marx in den bayerischen Staatsdienst übergetreten
war, begannen neue Verhandlungen. Nach Abänderung des Ortsstatuts
am 2. November wurde die Stelle am 28. Januar 1920 aufs neue ausgeschrieben.
Als stärkste Partei einigte sich das Zentrum auf den Notar Josef Holler. Von den
101 Wahlberechtigten stimmten nur 73 ab. Holler erhielt 69 Stimmen und war
gewählt. Er übernahm das Gemeindegericht, das Gewerbe- und Kaufmannsgericht,
die Obliegenheiten des Schiedsmanns, die Rechtspolizeigeschäfte, das Standesamt,
Armenwesen und Jugendfürsorge, die Wohlfahrtspflege, Erwerbslosenfürsorge,
Arbeitsamt und Feuerversicherungssachen. Er führte den Vorsitz in der Kommission
für gemeinnützige und sozialpolitische Angelegenheiten. Schließlich war er
Mitglied der Kommission für die städtischen Sammlungen.
Wenige Tage nach Hollers Wahl zum Oberbürgermeister, am 24. Juni 1921,
wurde die Stelle wieder zur Bewerbung ausgeschrieben. Da die Sozialdemokraten
zur zweitstärksten Partei herangewachsen waren, erhoben sie Anspruch auf die
Besetzung. Ihr Kandidat war Dr. Eduard B ü h r e r. Am 2. Januar 1882 in
Offenburg geboren, hatte er 1905 die erste und 1909 die zweite juristische Staatsprüfung
abgelegt und war 1916 bis 1919 Amtsrichter in Schönau und seit 1919
Landgerichtsrat in Karlsruhe. Ihn wählten am 28. Juli 66 Wahlberechtigte. Ein
Wähler — es dürfte ein Vertreter der liberalen Richtung gewesen sein — machte
seinem Ärger Luft, indem er einen Wahlzettel überklebte und mit Maschinenschrift
die Worte darauf schrieb: „Zentrum und Sozzen, s'ist zum Kozzen."
Dr. Bührer nahm dieselben Geschäfte wahr wie Holler mit Ausnahme der Mitgliedschaft
in der Kommission für die Sammlungen. Außerdem übernahm er den
Vorsitz in der Wohnungskommission.
Seine Amtszeit sollte nur von kurzer Dauer sein; denn ihn traf auch Hollers
Schicksal. Nach der Besetzung der Stadt durch französische Truppen wurde er
verhaftet und am 3. März 1923 ausgewiesen. Da er nicht hoffen konnte, in absehbarer
Zeit nach Offenburg zurückzukehren, bewarb er sich um die Stelle des
2. Bürgermeisters in Pforzheim und wurde am 6. Juli 1923 gewählt. Sein Weggang
wurde in Offenburg bedauert; denn trotz politischer Differenzen, die hin und
wieder auftraten, hatte er sich viele Sympathien erworben. Vier Jahre später trat
er in Dresden das Amt des 2. Bürgermeisters und Finanzdezernenten an. Die
politische Entwicklung führte 1934 zu seiner vorzeitigen Pensionierung. Die Jahre
des Ruhestandes verbrachte er in Offenburg, wo er 1965 starb.
Am 14. April 1924, also zweieinhalb Monate nach seiner Rückkehr aus der
Verbannung, teilte Oberbürgermeister Holler dem Stadtrat mit, daß es ihm auf
die Dauer unmöglich sei, ohne Hilfskraft auszukommen. Schon vorher hatte man
über die Frage der Wiederbesetzung der Bürgermeisterstelle beraten. Einige Stadträte
waren der Meinung, daß man sich nach einem Techniker umsehen sollte,
andere waren der Auffassung, daß man den Wirkungskreis nicht zu eng stecken
sollte. Die Gemeindeordnung schrieb vor, daß nur einer der Bürgermeister Voll-
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