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französischen Besatzungstruppen. Eine Stunde später wurde Isenmann mit dem
Landrat in einem Auto fortgebracht, über die Nacht festgehalten und am folgenden
Tag gegen 16 Uhr freigelassen. Bei seiner Rückkehr auf das Rathaus erfuhr
Isenmann, daß Kaufmann Ludwig Heß von der Militärregierung zum Bürgermeister
ernannt worden sei. Am nächsten Tag (16. April) wurde letzterer, der
nicht aus Ehrgeiz, sondern aus Verantwortungsgefühl sich zur Verfügung gestellt
hatte, bei einer Besprechung, zu der Vertreter von Industrie, Handel und Gewerbe
sowie städtische Bedienstete einbestellt waren, in Gegenwart des französischen
Stadtkommandanten verpflichtet. Als dessen Stellvertreter fungierte Rechtsanwalt
Braxmeier, der jedoch im Juli ausschied, um seine Tätigkeit als Amtsgerichtsrat
in Oberkirch aufnehmen zu können. Für ihn wurde erst nach drei Monaten ein
Ersatz bestellt. Am 16. Oktober schlug Heß der Militärregierung Bankdirektor
Gustav Weghaupt als Stellvertreter vor. Der Vorschlag wurde genehmigt.
Am 22. November trat Weghaupt sein Amt an.
Bei dem stark verminderten Verwaltungskörper mußte von den beiden Bürgermeistern
und den ihnen beigegebenen Stadtratsmitgliedern viele Kleinarbeit persönlich
geleistet werden. An eine planvolle Aufbauarbeit konnte noch nicht
gedacht werden; sondern es galt, die durch die Besetzung der Stadt entstandene
Situation zu meistern. Wenn Offenburg auch von dem furchtbaren Schicksal vieler
deutscher Städte verschont geblieben war, so bot es doch infolge der Luftangriffe
vom 27. November und 30. Dezember 1944 und der Artillerieeinschläge ein trostloses
Bild.
Weghaupt bat am 27. Dezember 1945 um Entbindung von seinem Amt, weil
er die Direktion der Filiale der Dresdener Bank übernommen hatte, erklärte sich
jedoch auf Wunsch des Stadtrats bereit, täglich einige Stunden der Stadt zur
Verfügung zu stehen. Die Militärregierung aber verlangte, daß er das Amt erst
nach den Gemeinderatswahlen aufgebe. Und als Bürgermeister Heß am 22. Januar
1946 zurücktrat, um sich wieder ganz seinem Geschäft widmen zu können, wurde
Weghaupt mit Zustimmung der Militärregierung dessen Nachfolger. Acht Monate
leitete er die Geschicke der Stadt. In der letzten Gemeinderatssitzung, der er
vorstand, am 8. September 1946, erstattete er in einer Ansprache einen eindrucksvollen
Tätigkeitsbericht, der Aufschluß gibt über den Zustand Offenburgs vom
15. April 1945 bis September 1946 und heute noch sehr lesenswert ist.
Am 22. September 1946 wählte der neue Gemeinderat Oberamtsrichter a.D.
Gustav Ernst zum Bürgermeister, während Rudolf Moosbrugger und Wilhelm
Klemens als Beigeordnete aus der Wahl hervorgingen. Emsts Amtszeit dauerte
nur kurze Zeit. Die Militärregierung warf ihm vor, daß er „es an einem ersprießlichen
Zusammenarbeiten mit ihr fehlen lasse", und beschuldigte ihn, er habe
politisch belastete Angestellte und Arbeiter der Stadtverwaltung in ihren Stellungen
belassen. Er wurde am 17. Oktober von seinem Amt suspendiert. Als diese
Maßnahme verlängert wurde, trat er am 6. Dezember zurück.
Ihm folgte der 1. Beigeordnete R. Moosbrugger, der am 14. Dezember
1947 gewählt wurde. Ihm zur Seite traten Hermann Brandel, Wilhelm Klemens
und Julius Müller. Ein ganzes Jahr hat Moosbrugger seiner Vaterstadt in auf-
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