http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1967/0103
Was vom alten Kaufhaus noch übrig geblieben war, wurde „abgebrochen";
dabei mag man die steinerne Torumrahmung geschont haben; doch die hölzernen
Tore wurden ebenfalls erneuert. Die Zimmerarbeiten lieferten die Meister Jakob
Sibert und vor allem Johann Weber, der selbst unter den Brandgeschädigten war.
(In der Familie Weber, aus der uns schon 200 Jahre früher Zimmermeister begegnen
, hat sich dieser Beruf bis vor kurzem fortgeerbt.) Die kupfernen Dachrinnen
ans Kaufhaus lieferte der Gengenbacher Kupferschmied Friedrich Scheurer.
Im gleichen Stile wie das Kaufhaus entstand auch der „Adler" wieder; es bleibt
bedauerlich, daß der einst so freundliche Anblick, den das neue Stadtviertel dem
Auge bot, in neuerer Zeit durch die störenden Neubauten der beiden Wirtshäuser
„Zum Adler" und „Zum Badischen Hof" so unglücklich gestört worden ist. Als
in den 1790er Jahren der letzte Gengenbacher Reichsschultheiß Anton v. Rienecker
zwischen Rathaus und Kinzigtor sein Patrizierhaus erstellte, zeigte er jedenfalls
mehr Geschmack, wenn er sich dem Stile der gegenüberliegenden Neubauten anschloß
. Die Jahreszahl 1770 über dem Eingang des Rieneckerschen Hauses darf
uns ebensowenig irreführen wie jene am Kaufhaus oder etwa am „Engel" oder
„Salmen". Wie schon der Baustil des letzteren zeigt, ist auch dieser nicht 1786,
sondern erst nach 1790 erstanden, und zwar im selben Stile, der eben durch
D'Ixnard nach Gengenbach gebracht worden war. Die Gengenbacher Ratsprotokolle
sprechen hier richtiger, als was in Steine eingemeißelt oder in späterer
Zeit von Malern hingeschrieben an diesen Häusern zu lesen ist.
Durch den Brand waren große Mengen an Brotfrucht und Lebensmitteln zugrunde
gegangen. Dabei sollten die Leute mehr wie sonst arbeiten; deshalb wandte
sich der Gengenbacher Rat an den Straßburger Bischof, erbat und erhielt für
seine Untertanen eine Erleichterung vom Gebote des Fastens und des Fleischgenusses
. Der Verkehr mit dem Bischof erfolgte noch immer in der lateinischen
Sprache. Straßburger Bischof war der vielgenannte französische Prinz Louis
Ronan, der infolge der Französischen Revolution sich 1791 nach Ettenheim
zurückzog, wo er 1803 gestorben ist, nachdem er sein Amt zwei Jahre früher
niedergelegt hatte. Vielleicht hatte der Gengenbacher Brand, der die Einwohner
so gründlich in Anspruch nahm, es verhütet, daß die Französische Revolution
damals auch in dieses Gebiet herüberschlug; unter der Decke rumorte es bekanntlich
damals in der Ortenau allenthalben, auch in Gengenbach.
Das Gengenbacher Brandunglück hatte sich am 24. Februar ereignet; man hatte
beschlossen, diesen Tag fortan als eine Art Bußtag zu begehen. Nun war aber
am 24. Februar einerseits das Fest des hl. Apostels Matthias und anderseits im
Jahre 1789 zugleich auch der Fastnachtdienstag.
Sehr bald wurde die Frage strittig, ob man nun den Fastnachtdienstag oder den
Aposteltag als Büß- und Gedenktag halten solle. Auch wußte man sich bald nicht
mehr zu erinnern, ob man überhaupt ein förmliches Gelübde gemacht hatte. Jedenfalls
trat zunächst in den ersten Jahren eine Einschränkung des Fastnachttreibens
am Fastnachtdienstag ein; der Rat verbot auch den Tanz. Doch als Gengenbach
1803 badisch wurde, schlief das alles sehr rasch ein, was in der Zeit der Aufklärung
ja weiter auch nicht zu verwundern ist.
101
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1967/0103