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alten Gartensaal; und am 22. August des gleichen Jahres ward der große, neue
Saal der Öffentlichkeit, den Einheimischen und den Kurgästen übergeben, mit
vollem Recht nun Weinbrennersaal genannt — wenige Monate vor dem 200. Geburtstag
des Meisters, am 28. November 1766 zu Karlsruhe geboren.
Der Philosoph am Schloßaufgang
von Alfred Schlotthauer
Wer die Kaiserstraße überschreitet, die in der Zeit der Residenzerhebung Rastatts
„Haubt-Creuz-Straß" hieß und im Durchgang über die kurze Schloßstraße dem
Schloß entgegenstrebt, immer die monumentale Schloßfront im Auge behält,
besonders die wohlausgewogene Steigerung des Mittelbaus bis zu den sich am
Himmel in flammender Erregung abzeichnenden Umrissen des „Goldenen Mannes
", der wird zwar zunächst in seinem Blick gebannt durch das reiche Figurenwerk
, das sich entlang dem einstmals zum Hochgestade gehörenden Aufstieg zu
beiden Seiten im Vordergrund aufbaut. Er wird aber auch gewahr werden, daß
aus der großen Zahl jener Steinfiguren eine besonders hervortritt und so etwas
wie eine Wächterrolle zur Schau trägt.
Ja, er wird im Schritt gehemmt, so unmittelbar erblickt er zu seiner Linken auf
erhöhtem Postament jene Gestalt aus Sandstein, bärtig, mit togaähnlichem Uberwurf
, der die südliche Sonne Korinths verrät, mit einem der Ferne geltenden
Seherblick. Es gilt jedoch nicht minder auch dem zu ihm aufschauenden Besucher
des Schlosses. Das herabflutende Licht der sommerlichen Mittagssonne hält er
mit flachem Handschirm ab, um durchdringender das Nahe und das Ferne zu
erfassen. Gewand, Haltung und Gebärde deuten auf klassische Herkunft.
Erst wenn wir die Gestalt ganz erfassen, stellen wir fest, daß seine Rechte eine
Laterne trägt. Gesichtsausdruck und Laterne deuten sie uns als einen Suchenden.
Bei Nacht mag die Leuchtkraft einer Laterne nicht ungewöhnlich erscheinen und
auch ganz natürlich sein. Jedoch am Tage oder gar bei hellem Sonnenschein?
Ist es etwa Nietzsches „Toller Mensch", der mit einer Laterne am hellen Vormittag
über den geschäftigen Marktplatz ging und unaufhörlich rief: „Ich suche
Gott, ich suche Gott!"? Es ist kaum anzunehmen, daß die Steinmetzen des Schloßbaues
diesen wunderlichen Menschen bereits kannten.
Hingegen gab es einen anderen, einen ebenso originellen Sonderling des Altertums
, der sich Diogenes nannte, der sich in Athen und Korinth mit seiner Philosophie
herumquälte, „daß es göttlich sei, nichts zu bedürfen". So etwa im 5. Jahrhundert
vor der Zeitrechnung war das, als in gleicher Zeit schon ackerbautreibende
Kelten, in der Rheinebene, in der Gegend von Muggensturm ansässig, auf dem
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