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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
48. Jahresband.1968
Seite: 270
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1968/0272
Mädchen seiner Liebe. Harmlos dagegen war folgendes Mittel: Der Bursche strich
heimlich eine Gullerfeder durch die Hand des zu beeinflussenden Mädchens. In
Ottenhofen setzte sich das liebende Mädchen in der Pfingstnacht ein Kränzlein von
neunerlei Blümchen (neun war „heilige" Zahl) ins Haar und gewann dadurch die
Erkenntnis, ob es hoffen dürfe. Hatte ein Mädchen noch keinen Liebsten, so ersah
es durch das „Brauchen" des vorgenannten Kränzleins den ihm vom Herrgott
bestimmten Mann . . . Wallfahrtete ein heiratslustiges Mädchen zum hl. Antonius
in dessen Kapelle zu Oberachern, so rief es den Heiligen gleich auch in seiner
Herzensnot an.

Der Renchener Bürgermeister von Grimmelshausen erzählt um 1650 von liebesbedürftigen
Mädchen im Rench- und im Achertal folgendes: sie füllten in der
Andreasnacht (30. November) Wasser aus einem Kreuzwegbrunnen in ein Trinkglas
, machten einen Klumpen Blei flüssig und schütteten die Masse hinein. Die
sich bildende Figur weissagte ihnen den Stand bzw. das Gewerbe des „Zukünftigen
" voraus: aus einer Hufeisenform einen Grobschmied, aus einem radähnlichen
Gebilde einen Krummholz (Wagner), aus einem Schiffchen einen Weber.
Ähnliches berichtete schon 1446 der Schweizer Rudolf Gwerb aus dem Breisgau
in seiner „Beschreibung abergläubischer Leut- und Viehbesegnungen".

Untreue oder gar lockere Mädchen wurden in Moos besonders „herausgestellt":
vom Kammerfenster aus bis zum Haus des neuen Liebhabers oder des betrogenen
Bräutigams, schlimmstenfalls bis zum Farrenstall (!), zettelte man Ruß, Sägmehl,
Häckerling oder Spraulen auf die „Liebespfade".

In Neusatz kamen die beiden Geschlechter auf besondere Weise einander näher:
Seit Menschengedenken war im vergangenen Jahrhundert kein öffentlicher Tanz
abgehalten worden, die Kirchweih kannten die Neusatzer, wie bereits berichtet,
überhaupt nicht, und Pfarrer Bäder, der Vorgänger von Pfarrer Lorenz, hatte
minderjährigen Mädchen die zum Besuch einer auswärtigen Tanzgelegenheit erforderlichen
Tanzscheine grundsätzlich verweigert. Und trotzdem fanden sich die
beiden Geschlechter zusammen: Die Straße vom Zinken Kirchbühl nach Waldstegen
hinunter war für die Länge eines Kilometers stark abschüssig. Hatte im
Winter starker Schneefall sie unpassierbar gemacht, so ließ der Bürgermeister
aus breitgelegten, geschälten Tannenstämmen mit Bauklammern ein Gestör herstellen
, vier Ochsen davor spannen, und dieser „Bahnschlitten" stellte die Verkehrsmöglichkeit
wieder her. Wenn nun abends der Mond sein mildes Licht auf
die Straße warf, sah er folgendes: Auf Hörnerschlitten fuhren Burschen und Mädel
stillvergnügt zu Tal, paarweise stiegen sie wieder zu Berg, die Schlitten waren
nachgezogen worden, und die Fahrt begann von neuem. Reichten die Hörnerschlitten
nicht aus, so behalfen sich die Burschen mit den Kinderschlitten, auf
denen höchstens zwei Personen Platz hatten. So kamen sich die beiden Geschlechter
sehr nahe, und das waren die zur Verständigung erforderlichen Gelegenheiten, die
sonst nur der Tanz ermöglichte.

Aber die Straße bedeckte sich durch diesen nächtlichen, stundenlang ausgeübten
„Verkehr" mit Glatteis und wurde dadurch wieder ungangbar. Also mußte dieser

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