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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
48. Jahresband.1968
Seite: 276
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rieh oder sonscht verstorbene Ang'hörige vom Hochzitter un' von der Hoch-
zitteri'. Wer aber net bette' ka' oder net bette mag, dem steht doch 's Stillschweige
wohl a'!"

Nach dem still gesprochenen Gebet fuhr der Sprecher fort: „Jetzert solle' die
luschtige' Buebe' vorausmarschiere' un' die Hochzilitt' un' d' Ehrevätter (Trauzeugen
) wer'e hinte' nochtrette."

Die Musik trat an die Spitze des Hochzeitszugs, der sich inzwischen formiert
hatte, und bewegte sich der Kirche zu.

Im Gotteshaus fand zuerst ein Opfergang statt, dann gab der Priester das Paar
zusammen. Wenn die Brautleute nach dem Vollzug der Trauung sich erhoben, um
in die Bänke zurückzukehren, achteten die Festgäste darauf, ob sie sich dabei einander
zu- oder abwandten. Daraus zog man Schlüsse auf das künftige Zusammenleben
der beiden.

Wohlhabende Familien hielten das Hochzeitsmahl im Wirtshaus ab. An der Tür
kredenzte der Wirt dem jungen Paar einen Trunk Wein und wünschte ihm „Glück
ins Haus". Jeder der Gäste erhielt von den Kränzeisjungfern einen Rosmarinzweig
und gab dafür ein Trinkgeld.

Im Verlauf des Mahls traten alle Gäste an das junge Paar heran und „brachten
es ihm zu", d. h. sie stießen mit ihm an auf Glück und Segen.

War nach dem Abendessen die Stimmung schon etwas beschwingt, so versuchte
einer der Freunde des Hochzeiters, der jungen Frau einen ihrer Schuhe zu „stehlen".
Das junge Paar wußte das und ließ es ohne ernsthaften Widerstand geschehen.
Dieser Brauch stammt aus dem Mittelalter, da das Mädchen mit der Verehelichung
unter die „Munt" (Vormundschaft) des Gatten in bezug auf die Verwaltung des
eingebrachten Vermögens trat. Des zum Zeichen schenkte der Bräutigam der Braut
kurz vor der Hochzeit ein Paar Pantöffelein. Späterhin erweiterte man die ursprüngliche
Auffassung auf die der Ehefrau zustehende Führung des Haushalts
und damit auch auf die Schlüsselgewalt. Der Raub des Schuhes bei der Hochzeit
in jüngerer Zeit mit Rückgabe an die Gattin sollte dem Gatten einen recht erheblichen
Teil seines Übergewichts nehmen. Zur Verhütung dieses Verlustes suchte er
das Stehlen des Schuhes zu verhindern, wurde jedoch von den Freunden mit allerlei
Listen abgelenkt, so daß der Streich doch gelang. Durch einen Liter „Roten"
löste er den Schuh wieder ein. Neuerdings gab man dem Brauch die Deutung des
völligen Verlustes der Oberhoheit des Gatten und stempelte ihn zum „Pantoffelhelden
", wenn der Verlust Tatsache wurde. Diese Bezeichnung ist heute noch
üblich.

Nach Beendigung des Abendessens trat das junge Paar zu den drei Ehrentänzen
an. Bevor hierauf der allgemeine Tanz begann, sprach einer der Musikanten:
„D'r Hochzitter loßt si' jetzt höflig bedanke' für die Ehr', wo ihr ihm erwiese'
hän. Un' jetzert soll tanze', wer will un' ka'. Un' wer's net ka', dem steht 's
Le(h)r(n)e wohl a'. Un' wer net g'nue' het an einre (einer Tänzerin), der soll
luege, daß er zwei oder drei bekommt. Der Hochzitter isch froh, daß er e'mol
eine het."

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