http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1968/0292
Gruß: „Dem löblichen Bürgermeisteramt zu Baden in Dienstfreundschaft zugesandt
."
Da gab es einen besonders gewitzten Gesellen, der hoffte, der Wanderpflicht zu
genügen, wenn er längere Zeit bei einem Meister in Ebersteinburg arbeitete. Doch
er war auf dem Holzweg. Als er um Zulassung zum Meisterstück einkam, wurde
sein Gesuch abgelehnt, „denn er betrat weder das Ausland noch betrug die Entfernung
seines jeweiligen auswärtigen Aufenthalts wenigstens zwölf Stunden vom
Heimatorthe".
Schon bei der Geschichte anderer Zünfte wurde auf den sachlichen Unterschied
gewiesen, den man in der Meisterprüfung zwischen „Stadtmeistern" und „Landmeistern
" machte. Die Konsequenzen dieser Maßregel bekam auch Meister
Christian zu spüren, als er von Beuern nach der Stadt Baden umziehen wollte.
Das Bezirksamt stellte fest: „Nach Verordnung vom 16. Juny 1834, welche bei
Übersiedelung eines Landmeisters in eine Stadt die Fertigung eines neuen Meisterstücks
vorschreibt, wird dem Schuhmachermeister Christian Schuhmann in Beuern
bedeutet, daß er, wenn er in hiesiger Stadt das Bürgerrecht erwerben will, vorerst
eine anderweitige Meisterprobe ablegen müsse."
Es war offensichtlich, daß mit dieser Forderung die Stadt sich von Pfuschern
im Handwerk zu distanzieren suchte. Man begnügte sich daher nicht länger mit
dem Nachweis, daß der Bewerber um den Meistertitel drei Jahre im Ausland
gearbeitet habe, man erwartete darüber hinaus Leistungen über dem Durchschnitt.
So lehnte man den Xaver S. als Stadtmeister kategorisch ab, weil man sein
Können für unzureichend hielt: „Das Wanderbuch des Bittstellers weist zwar für
die vorgeschriebene Zeit das vorgeschriebene Maß der Wanderschaft nach, allein
die Art derselben genügt nicht für einen Geschäftsmann, wie in hiesiger Stadt die
Ausbildung verlangt wird und haben wir lebende Beispiele genug, daß sich nicht
gehörig ausgebildete Schuhmachermeister auf ihrer Profeßion nicht ernähren
können."
Es sei ratsamer, als Geselle weiterzuarbeiten, denn als Meister in die Gant zu
schlittern, „weil zur Führung eines selbständigen Geschäfts mehr Kraftanwendung
erfordert wird als bei einem Gehilfen, der hier stets Arbeit findet, wenn er ein
tüchtiger Arbeiter ist".
Gustav, mir graut vor dir!
Als durchtriebene Kreatur, die mit allen Wassern gewaschen schien, muß man den
Lehrjungen Gustav G. betrachten. Ihm war deshalb so schwer beizukommen, weil er es
verstand, vor Behörden und Zunftmeistern den ungerecht behandelten Dulder zu spielen,
der kein Wässerlein trüben konnte. Dabei hatte er es faustdick hinter den Ohren. Als ihm
der erste Lehrherr auf die Schliche gekommen war, suchte er in eigener Vollmacht einen
anderen. Der Ton, in dem er dem Gemeinderat den geplanten Stellenwechsel bekanntmacht
, zeigt keinen Mangel an Selbstbewußtsein. In dem dreiseitigen Schreiben gibt er
zu, es sei wahr, „man darf dem Wohllöblichen Gemeinderath keine Vorschriften machen.
Aber man wird mir das nicht mißbilligen können, einen Gezwungenen Meister anzunehmen
, wo ich meine rechte Nahrung und noch manches Entbehren muß".
Nun habe er einen anderen Lehrherrn gefunden, der ihn „jede Stunde in die Lehre
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